Freie Beschäftigte in Österreich fordern Honorarerhöhungen beim ORF

(ver.di FilmUnion-Newsletter 09/2012) „Die freien MitarbeiterInnen des ORF produzieren maßgeblich, was den Bildungsauftrag rechtfertigt. Sie arbeiten an jenen Programmen, die oftmals keine Werbeeinnahmen bringen, keine Publicity, sondern nur öffentlich-rechtlichen Mehrwert“, schreiben Dutzende von ORF-MitarbeiterInnen in einem offenen Brief, der Mitte September im „Standard“ veröffentlicht wurde.
Jener Wert sei es jedoch, der die Existenz eines gebührenfinanzierten ORF samt seiner DirektorInnen überhaupt erst rechtfertige. Management bedeutet Verantwortung. Diese werde jedoch im Falle der freien MitarbeiterInnen bis dato nicht übernommen. Stattdessen wird ein neues Programm präsentiert, während die Finanzierung des vorhandenen Programms noch immer nicht geregelt sei. Diese Wahrheit störe die Verantwortlichen aus Imagegründen und die Betroffenen aus Überlebensgründen. Doch solange diese Wahrheit nicht durch Taten nachhaltig widerlegt wird, ist sie dem ORF zumutbar. Die ORF-Direktion war „not amused“ über den offenen Brief.

Im Kern geht es darum, dass die Freien zu wenig Honorar für ihre Leistungen erhalten. Und das schon seit Jahren. Bereits im März hatten sie in einem Brief an ORF-Manager und Stiftungsräten aufgeschlüsselt, wie viel öffentlich-rechtliche Kernangebote nur mit freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zustande kommen. Im Kulturmontag auf ORF 2 sollen sie laut Stiftungsräten auf ein Drittel der Sendezeit gekommen sein, beim Radiosender Ö1 auf mehr als die Hälfte. Nachdem sich auf den Brief im März nichts getan hatte, protestierten sie nun erneut: Sie fühlten sich als "Freiwild" neoliberalen Wirtschaftens. Um eine Anhebung der Honorarsätze zu erreichen, sollen die Senderbudgets auf ein Maß angehoben werden, das dem der deutschen Rundfunkanstalten entspräche.

ORF-Chef Alexander Wrabetz nannte den Brief "rotzig ". Er käme zum völlig falschen Zeitpunkt, denn die Gespräche seien voll im Gange. Auch Mitglieder des ORF-Stiftungsrats haben sich über den offenen Protestbrief der freien ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter geärgert. ORF-Finanzdirektor Richard Grasl zeigte ebenso wenig Verständnis für das Schreiben und dessen "unpassende Wortwahl". Wording und Zeitpunkt seien sehr ungeschickt gewählt, sagte Grasl vor Journalisten. Betriebsrat Gerhard Moser findet den Brief gerechtfertigt, auch „er war schon mal optimistischer, was die Bezahlung der Freien angeht.“

Die Diskussion in Österreich ist nicht neu, jetzt hat sich auch die mächtige Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) auf die Seite der Freien geschlagen und ihre Solidarität mit ihnen erklärt. Für sie ist allerdings eine Überprüfung der Arbeitsverträge der Freien am wichtigsten. Daher werde die Gewerkschaft in der kommenden Woche die Gebietskrankenkasse in allen Bundesländern ersuchen, Kontrollen der Dienstverträge in den betroffenen Unternehmen zu tätigen. Das kündigte der stellvertretende Bundesgeschäftsführer der GPA-djp, Karl Proyer, in einer Pressemitteilung an. Für Proyer stellen die Dienstverträge der ORF-Freien "Gesetzesumgehungen" dar, sie seien in Wahrheit keine freien, sondern abhängige Beschäftigte. Derartige Konstruktionen stünden im Medienbereich derzeit offenbar "auf der Tagesordnung", erklärte er. Während es in anderen Branchen - "beispielsweise in der Call-Center Branche oder im Erwachsenenbildungsbereich" - gelungen sei, aus Umgehungsverträgen "ordentliche Anstellungsverhältnisse" zu schaffen, sei der Handlungsbedarf in der Medienbranche "unübersehbar" geworden, so Proyer.
Es gebe nun "keine andere Wahl mehr", als die Gebietskrankenkassen "um eingehende Kontrollen in den betroffenen Unternehmen zu ersuchen", so Proyer. Die ORF-Freien hätten sich diese Gesetzesumgehungen schon "viel zu lange widerstandslos gefallen" lassen, betonte der Gewerkschafter. Es sei "längst an der Zeit", dass ein "Parade-Unternehmen wie der ORF sich damit beschäftigt, inakzeptable Umgehungsverträge aus der Welt zu schaffen".
Bei Verstößen in den Dienstverhältnissen könnte das für den ORF sehr teuer werden.

Christoph Brandl


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