Modell für Digitalisierung der Kinos nimmt Formen an

(BFV-Newsletter 04/2010) Die Digitalisierung der Kinos könnte auf der Zielgeraden sein, doch es bleibt eine Zitterpartie, obwohl Bund, Länder, Verleiher, Produzenten und die FFA miteinander reden.
Die Ministerpräsidenten der Länder werden sich am 7. Mai mit einem von den Filmreferenten unter Federführung Berlins und Bayern ausgearbeiteten Konzept beschäftigen, das auf dem seit August in Bayern erprobten Modell fußt und einheitliche Bedingungen in allen Ländern schaffen soll. Die Bundesländer wollen sich auf gemeinsame technische und ökonomische Standards einigen. Gefördert werden danach nur Kinos, die mindestens 8000 Zuschauer im Jahr anziehen. Und das seien nicht alle in Berlin, weiß Christine Berg vom Medienboard Berlin-Brandenburg. Der Kinobesitzer muss 20% der Investitionssumme selbst aufbringen. Dazu können auch Mikrokredite genutzt werden, wie sie die Investitionsbank Brandenburg zinsgünstig anbietet. Die Länder zahlen dann für die Digitalisierung einen Zuschuss, der bei 18.000 Euro liegt. Das Fördergeld kommt jedoch aus unterschiedlichen Töpfen. Während Bayern seit 2009 je 1,5 Mi Euro zusätzlich in den Haushalt eingestellt hat, Baden-Württemberg 800 000 Euro im Jahre 2010 und je 500 000 Euro in den beiden Folgejahren spendiert, fördert Niedersachsen im Rahmen des EFRE-Pround-Programms. NRW hat 500.000 Euro jährlich versprochen. Berlin und Brandenburg setzen auf die Ausschöpfung der vorhandenen Fördertöpfe. Über drei Jahre soll die Digitalisierung aus dem Etat der Medienboard bestritten werden. Bei 97 Häusern in mit mehr als 284 Leinwänden in Berlin macht das alleine fünf bis sechs Mio. Euro, die der Produktion fehlen. Die Länder hoffen weiter auf die Versprechen der Kinobranche und des Bundes, sich an den Investitionen zu beteiligen - sonst ist die Digitalisierung nicht zu schaffen, da viele Theaterbesitzer die Investition alleine nicht schultern können. Die Verleiher als große Nutznießer der Digitalisierung hatten zuletzt versprochen, rund die Hälfte der bundesweit benötigten 310 Mio. Euro für die Umrüstung zu tragen. Ob diese Summe kommt, ist ungewiss, bestätigte Johannes Klingsporn, Chef des Verleiherverbandes. Nachdem ein ähnliches Modell in Frankreich aus rechtlichen Bedenken geplatzt ist, hat der Verband sicherheitshalber bei der EU-Kommission angefragt, ob es Einwände geben könnte. Mit einer Antwort wird im Mai gerechnet. Aber kaum vor dem 5. Mai und so bleibt die spannende Frage, wie die Konzeption aussehen wird, die Kulturstaatsminister Bernd Neumann an diesem Tag vor der CDU-Fraktion vorstellen will. Er hat in diesem Jahr 4 Mio. Euro in seinem Haushalt für die Digitalisierung eingestellt. „Dieses Modell soll sich insbesondere an Programm- und Filmkunsttheater sowie Kinos mit besonderen strukturellen Schwierigkeiten (das kann sowohl traditionelle Kinohäuser im ländlichen Raum wie auch reine Stadtteilkinos betreffen) richten. Das Förderprogramm wird insofern kulturelle als auch strukturelle Kriterien enthalten. Im Fokus stehen dabei also solche Kinos, bei denen eine digitale Umrüstung zwar grundsätzlich wirtschaftlich sinnvoll ist, die aber aus filmkulturellen oder strukturellen Gründen keine hohen Umsätze erzielen, von einer rein marktorientierten Digitalisierung ausgeschlossen sind und damit kurz- bis mittelfristig vor dem Aus stehen würden,“ erklärte das BKM zu einer Anfrage der LINKEN. Vor dem Kulturausschuss des Bundestages wurde am 21. April präzisiert, dass auch die mehr als 100 Kommunalen Kinos mit einbezogen werden sollen. Das Modell soll wohl von der Filmförderungsanstalt umgesetzt werden. Erwartet wird auch, dass es sich an das Ländermodell anlehnt, alle Förderungen sollen zudem miteinander kompatibel sein. Offen sind einige Fragen, vor allem wie viel die FFA aus ihrem Etat beitragen wird. Nach den lange diskutierten Modellen war im Sommer 2009 von 40 Mio. Euro die Rede, die über fünf Jahre für die Digitalisierung reserviert werden und unter allen Kinos aufgeteilt werden sollten. Ob es bei diesem Plan bleibt, dass jedes Haus pro Leinwand mehr als 10.000 Euro von der FFA in seinen Investitionsplan einrechnen kann, ist abzuwarten.

Und dann ist natürlich noch der Gordische Knoten zu lösen, wie insgesamt mit den Häusern umgegangen wird, die ihre Filmabgabe an die FFA nur unter Vorbehalt zahlen. Aktuell zahlen 63,2 Prozent der Abgabepflichtigen unter Vorbehalt, 36,8 Prozent ohne Vorbehalt. Die unter Vorbehalt gezahlte Filmabgabe Kino beläuft sich per 28. Februar 2010 auf 31,9 Mio. Euro. Das Filmabgabe-Soll der nicht zahlenden Filmtheater beträgt für den Abgabezeitraum Februar 2009 bis Februar 2010 2,3 Mio. Euro. Das geschätzte Filmabgabe-Soll für das Jahr 2010 beträgt 16,5 Mio. Euro. Die unter Vorbehalt gezahlte Filmabgabe der Videowirtschaft hat sich per 28. Februar 2010 auf 1,9 Mio. Euro summiert. Bei diesen Programmanbietern handelt es sich nicht um Mitglieder des Bundesverbands Audiovisuelle Medien (BVV), sondern im Wesentlichen um Unternehmen aus der Musikindustrie. Hintergrund der Vorbehalte sind unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Abgabepflicht für Musikvideos.
Der HDF, in dem die Mehrzahl der Beitragsverweigerer Mitglied ist, wurde in die Verhandlungen über das Digitalisierungsmodell nicht einbezogen, wie dessen Chef Thomas Negele im Blickpunkt Film beklagt. Er nutzte das Interview, um erneut zu versuchen, den Schwarzen Peter für das Scheitern der Gespräche über die bisherigen Branchenmodelle anderen Mitgliedern der FFA in die Schuhe zu schieben: „Vielmehr wurde doch in den letzten Wochen klar, dass nicht mit offenen Karten gespielt wurde. Man will die Großen nicht mit im Boot haben. Das kann nicht angehen, nicht auf Ebene der FFA. Dass Bund und Länder ausschließlich nach strukturellen und kulturellen Gesichtspunkten fördern wollen, kann ich nicht nachvollziehen. Aber die FFA hantiert mit Geldern der ganzen Branche - primär jener, die den Großteil der Kinoabgabe tragen. Rund 1200 Leinwände leisten rund drei Viertel der Kinoabgabe, sollen aber auf der Förderseite ausgeschlossen werden? Im Ergebnis wäre das eine doppelte Umverteilung, eine Ungerechtigkeit, die so nicht in Ordnung gehen kann. Wir waren bereit, Klagen und Vorbehalte komplett zurückzunehmen, wenn uns verbindlich zugesichert worden wäre, dass die 40 Mio. Euro, welche die FFA für eine flächendeckende Digitalisierung hätte beisteuern sollen und können, an alle Kinos verteilt worden wäre. 10.500 Euro pro Leinwand, parallel hätte es eine flächendeckende Unterstützung durch die Verleiher gegeben, die sich zu einem Betrag von bis zu 154 Mio. Euro bereit erklärt haben. Das Geld von Bund und Ländern wäre dann in eine strukturelle Komponente geflossen, wobei man diese zusätzliche Förderung natürlich teilweise hätte anrechnen müssen, um sicherzustellen, dass keine Wettbewerbsverschiebungen auftreten.“
Olla Hoef, Vorstandsmitglied im BFV und ver.di-Vertreterin im Verwaltungsgrat der FFA hat das ganz anders in Erinnerung. „Was die Ketten anbelangt, finde ich die Aussage von Herrn Negele zynisch. Es geht ja nicht um alle Ketten, aber die UCI hat die Zahlungen eingestellt und auch verlauten lassen, dass sie an der FFA nicht interessiert sei. Trotzdem haben alle versucht, in Verhandlungen, in die der HDF mit unerfüllbaren Forderungen gegangen ist, Kompromisse zu finden. Kaum war ein Modell auf dem Tisch, an dem alle hätten arbeiten sollen, hat Herr Negele wieder verkündet, er könne nicht versprechen, dass die Mitglieder die Vorbehalte aufgäben. Deshalb ist es frech, jetzt zu behaupten, sie wären ja bereit gewesen.“

Doch noch wähnt er sich am längeren Hebel, weil er weiß, dass die Existenz der FFA und damit die Produktion gefährdet bleiben. Auch wenn sich zuletzt beim Kino-Kongreß in Baden-Baden alle – einschließlich des HDF – zu ihrem Fortbestand bekannt haben.
Entscheidend ist, wie sich UCI verhält und ob die kleine Novelle des FFG, die im Sommer verabschiedet sein soll, vom Leipziger Verwaltungsgericht anerkannt wird und sie die Klage der Kinokette für gegenstandslos hält. Für den Fall fürchten aber nicht nur die Produzenten, dass die UCI vor den Europäischen Gerichtshof ziehen wird. Um diese Eskalation des Streits zu verhindern, der durch die vermutete Verfahrensdauer von drei Jahren auch zu dem Ergebnis führen könnte, FFA erfolgreich operiert, aber bereits tot, will die Deutsche Filmakademie aktiv werden. Sie sucht einen international bekannten Mediator, der einen Kompromiss finden soll, bei dem alle Seiten ihr Gesicht wahren können. Das könnte heißen, dass der HDF doch noch die 20 Mio. Euro von der FFA zur freien Verfügung auf die Hand bekommt, die er im Sommer 2010 gefordert hatte. Was Bernd Neumann wohl kaum zulassen dürfte. So bleibt wohl nur ein Ausweg, den er bereits im März 2009 angekündigt hatte. Juristen seines Hauses könnten prüfen, ob die unter Vorbehalt gezahlten Gelder nicht doch in den Haushalt der FFA fließen und das Geld mit einer Bürgschaft vom Bund abgesichert wird.


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