Film & Fernsehen

Produzentenallianz baut auf verlässliche Spielregeln

(BFV-Newsletter 04/2010) Interview mit Prof. Dr. Mathias Schwartz, Direktor für Internationales, Service & Recht II von der Produzentenallianz, zu den neuen Tarifregelungen, Sparmaßnahmen bei den Sendern, den neuen Filmsubventionsmodellen der Nachbarländer wie Österreich, Tschechien oder Frankreich und den anstehenden Urheberrechts-Vergütungsverhandlungen mit der Gewerkschaft ver.di
Herr Schwarz, sind die Beschwerden bei der Produktion „Hidden“ ein Einzelfall oder ist zu befürchten, dass es sich wiederholt, dass Ihre Mitglieder den Tarifvertrag mit ver.di nicht einhalten?
Ich kenne die Details von „Hidden“ nicht und kann mich nicht dazu äußern. Die Geschäftsführung der Allianz begrüßt den Tarifvertrag. Wir halten ihn für vernünftig und vertretbar. Deshalb wirbt die Geschäftsführung der Allianz bei allen, auch den nichttarifgebundenen Mitgliedern, für dessen Umsetzung. Wir haben ihn an alle Mitglieder verschickt. Außerdem wurden im März in München und Berlin zwei Informationsveranstaltungen angeboten, die von je 60 bis 80 Personen wahrgenommen wurden, auf denen über die Regelungen des Tarifvertrags hingewiesen wurden.

Das heißt, der Vertrag gilt nur für tarifgebundene Unternehmen. Wie viele Ihrer 180 Mitglieder sind denn tarifgebunden?
Eine genaue Übersicht habe ich nicht, da die Produzentenallianz in den vergangenen Monaten von 110 auf 180 Mitglieder gewachsen ist. Ich gehe davon aus, dass die Tarifbindung in der Sektion der TV-Produzenten durch ihren alten Verband am höchsten ist. Es ist auch kein Unternehmen mit dem Beitritt in die Allianz aus der Tarifbindung ausgeschieden.

Werden Sie die Umsetzung mit einem wachen Auge begleiten?
Wir werden es nicht kontrollieren, haben es aber bei den Gesprächen über die Termes of Trades mit den Sendern im Auge. Wir versuchen den Sendern zu vermitteln, dass die Budgets künftig so ausgestaltet sein müssen, dass die finanziellen Mehrbelastungen aus dem Tarifvertrag von ihnen gedeckt werden oder die Produzenten dafür Rechte erhalten.

Wie weit sind Sie in den Gesprächen?
Mit der ARD sind wir im Dezember zu einem Abschluss gekommen. Mit dem ZDF sind wir uns grundsätzlich einig, dass Budgetsteigerungen nicht vom Produzenten alleine aufgefangen werden können. Mit den beiden privaten Sendergruppen sind wir noch nicht so weit, befinden uns jedoch auch hier in der Diskussion.

ARD-Vorsitzender Peter Boudgoust sprach nach Vertragsabschluss davon, dass die Vereinbarung zu höheren Budgets für einzelne Projekte führen wird und dies bei gleich bleibenden Etats zu einer Kürzung bei der Zahl der Aufträge führen könne?
Bei unveränderter Qualität und Aufwand einer Produktion werden die Gagenerhöhungen und die Arbeitszeitregelung zwangsläufig zu einer Erhöhung der Budgets führen. Die Sender suchen jetzt nach Wegen, trotzdem kostengünstig zu produzieren. So soll ein 90minütiger Heimatfilm, der gerade ausgestrahlt wurde, ein Budget von nur 1 Mio. Euro gehabt haben. Das ist nicht unser Weg. Wir wollen gemeinsam mit der Gewerkschaft darauf hinwirken, dass die Budgets so gestaltet werden, dass Qualitätsproduktionen entstehen und Tarifverträge eingehalten werden können.

Viele Produktionsfirmen führen Zeitkonten, regeln den Ausgleich aber auf der Basis eines 10-Stundentages statt wie tariflich vorgeschrieben eines 8-Stundentages. So schließt das Studio Hamburg gerne Verträge mit pauschalen Abgeltungen beim Zeitkonto, wobei ein 10-Stundentag für sämtliche Mehrarbeit pro Beschäftigungswoche als Zeitguthaben angerechnet wird.
Den Einzelfall kenne ich nicht, ich kann ihn nicht kommentieren. Der 8-Stundentag für die Produktionszeit galt jedoch nur für einen Übergangszeitraum 2006-2007. Jetzt gilt das 50:40-Modell, das heißt es wird auf Basis einer 50-Stundenwoche kalkuliert. Aber im Ausgleichszeitraum muss auf die 40-Stundenwochen (8-Stundentag) umgerechnet werden, das ist richtig. Diese Praxis ist von den Sendern so auch anerkannt worden.

Könnten sich Fernseh- aber vor allem Filmproduktionen nicht so verteuern, dass Produzenten wieder ins Ausland gehen oder Produzenten aus aller Welt nicht nach Deutschland kommen?
Die Gefahr ist gering und die Produzentenallianz will sie nicht als Druckmittel in die öffentliche Diskussion bringen, um soziale Standards zu kippen. Die positiven Effekte durch die Einführung des DFFF für die deutschen Produzenten werden durch die Budgetsteigerung auf Grund dieses Tarifvertrages auch nicht aufgefressen, so dass Produzenten deshalb überlegen könnten, woanders zu drehen. Heftiger könnte der Wettbewerb um Projekte werden, die „reisen“ können. Das liegt jedoch nicht am laufenden Tarifvertrag. Da der DFFF in vielen Ländern kopiert wurde, werden die Kosten und gewährten Produktionshilfen entscheiden. Sie hängen jedoch von vielen Fakten ab – angefangen von den Preisen für Hotelzimmer, die in Berlin günstiger sind als in London oder Prag, oder dem Wechselkurs des Dollars. Daher fürchten wir nicht, dass der Produktionsstandort Deutschland durch die Einhaltung des Tarifvertrags an Attraktivität verliert.

Das Gesetz über die Arbeitslosengeldregelung für unstetig Beschäftigte gilt seit August, es soll in drei Jahren evaluiert werden. Inwiefern mischt sich die Allianz in diesen Prozess ein?
Es ist mir nicht bekannt, dass sich Geschäftsführungskollegen schon in diese Diskussion eingemischt haben oder wir von der Politik gebeten wurden, eine Meinung abzugeben. Wir haben natürlich verfolgt, welch komplexe Regeln für Schauspieler und andere Team-Mitglieder im Zusammenhang mit der Berechnung der Versicherungszeiten eingeführt wurden. Wenn die Evaluierung ansteht, werden wir sicher dazu Stellung nehmen.

Es stehen jetzt die Verhandlungen über die Urheberrechtsvergütung an. Mit welchen Eckpunkten geht die Allianz in die Verhandlungen mit ver.di?
Die gesetzliche Grundlage ist seit 2002 klar. Die Mitgliederversammlung der Produzentenallianz hat die Geschäftsführung im Februar dieses Jahres ermächtigt, Gespräche aufzunehmen. Eine Arbeitsgruppe entwickelt momentan die Eckpunkte, mit denen wir in die Verhandlungen gehen wollen.

Das heißt konkret?
Wenn es Rückflüsse aus der Verwertung von Produktionen gibt und die Produzenten an ihnen über neue Regelungen bei den Terms of Trade partizipieren, sind die Produzenten auch bereit abzugeben, die Kreativen in der Höhe zu beteiligen, die vom Gesetzgeber als angemessen angesehen wird. Bei Kinoproduktionen, bei denen der Produzent selbst für die Auswertung verantwortlich ist, ist es somit sicher leichter über eine Beteiligung der Urheber zu sprechen als bei fiktionalen oder Entertainment-Produktionen für das Fernsehen.

Müssten dann nicht auch andere mit in die Gespräche einbezogen werden?
Der Gesetzgeber sieht als ersten Ansprechpartner den Produzenten als den Vertragspartner der Kreativen. In Teilbereichen müssen jedoch sicher auch Verwerter, die manchmal höhere Erlöse aus der Verwertung einer Produktion erzielen als die Produzenten, mit einbezogen werden.

Gilt das nur für neue Projekte oder auch rückwirkend?
Primär geht es um künftige Produktionen. Wenn die Vergangenheit einbezogen werden soll, muss man sich mit der Zeit seit 2002 auseinandersetzen. Ein Abschluss für die Zukunft hätte aber sicher Signalwirkung.

Bis wann rechnen Sie mit einer Einigung?
Die Verhandlungen dürften noch vor der Sommerpause beginnen. Wir hoffen dann auf rasche Ergebnisse.

Vielen Dank für das Gespräch.

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