Film & Fernsehen

Unbezwingbarer Berg von Partikularinteressen blockiert FFG-Novelle

(BFV-Newsletter 09/2009) Die deutschen Fernsender werden sich einer gesetzlichen Einbeziehung in den Einzahlerkreis für das Filmförderungsgesetz nicht entziehen, so die wichtigste Erkenntnis der Runde „Nach der Novellierung ist vor der Novellierung“, in der eine hochkarätig besetzte Runde aus Vertretern von CDU, SPD und FDP mit Branchenvertretern über die Zukunft des Filmförderungsgesetzes (FFG) bei der Medienwoche Berlin-Brandenburg diskutierte.

Das Umschwenken wurde von Stefan Gärtner, Seven Pictures, für die Pro7Sat1 Media AG auf dem Podium angekündigt. Jürgen Doetz hatte bereits vorher betont, dass die VPRT organisierten Sender werden auf eine Klage beim Bundesverfassungsgericht gegen eine gesetzlich fixierte Abgabepflicht verzichten.
Uneingeschränkt zum Grundgedanken des FFG stehen auch die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender. Gebhard Henke, Fernsehspielchef des WDR, vertrat die ARD auf dem Berliner Podium. Er versuchte sich zunächst raus zu reden, dass nur die Juristen der öffentlichen-rechtlichen Sender die Frage nach Freiwilligkeit oder Verpflichtung abschließend beantworten könnten Die ARD werde aber zahlen, wenn der Gesetzgeber diese Regelung beschließen sollte.

Auch die Länder hatten dem BKM bei der Vorstellung eines Novellierungs-Entwurfs auf der Ebene ihrer Rundfunkreferenten im April signalisiert, dass sie nichts gegen die gesetzliche Zahlungsverpflichtung der Sender unternehmen werden. Die Verabschiedung im Bundesrat war vorbereitet.
So wäre der Weg für eine kleine Novellierung des FFG in der gerade zu Ende gegangenen Legislaturperiode frei gewesen, um die vom Leipziger Verwaltungsgericht im Februar beanstandete Ungleichbehandlung der Fernsehsender und dem Rest der Branche andererseits zu beenden. Jahrzehntelang hatten sich zunächst ARD und ZDF und später auch die privaten Kanäle mit Verweis auf die Rundfunkhoheit der Länder gegen eine Verpflichtung gesträubt, sich in das Solidarmodell der Filmbranche einbeziehen zu lassen, in dem alle Nutznießer des deutschen Films zahlen, damit Filme produziert werden können. Regelmäßig wiederholten sie die Drohung, selbst nach Karlsruhe zu gehen. Der Bund beließ es daraufhin bei der Freiwilligkeit.

Mit dieser Reglung schienen alle trotz langwieriger Diskussionen bei den alle fünf Jahre anstehenden Novellierungsrunden des FFG leben zu können – bis sechs Kinobetreiber gegen das FFG beim Leipziger Verwaltungsgericht im Jahre 2004 klagten. Im Februar dieses Jahres bekamen sie Recht. Zur endgültigen Entscheidung wurde die Sache an das Bundesverfassungsgericht verwiesen.

Im Mai war der neue Gesetzentwurf fertig. Eine generelle Verpflichtung der Sender hätte durchaus Charme gehabt, hätte es doch mehr Geld für die Filmförderung in die Kassen der FFA gespült. Das Vierte und Tele 5 haben sich bis heute geweigert, freiwillig im Rahmen der FilmFernsehabkommen zu zahlen. Wobei es nicht so einfach ist wie es klingt, sie jetzt zur Kasse zu bitten: Tele5-Eigner Herbert Kloiber drohte im „Blickpunkt Film“ mit Abwanderung, sollte er mit Cash zur Kasse gebeten werden. Er will nur Medialeistungen akzeptieren, das heißt Werbespots für deutsche Filme senden. Mit dieser Haltung gießt er Wasser auf die Mühlen der Kinobesitzer. Ihr Interessenvertreter HDF hatte immer darauf hingewiesen, dass alle Häuser regelmäßig Reklame für die kommenden Premieren machen und dies ebenso gegen Cash aufgerechnet werden müsste. Und ganz nebenbei ist die Haltung von Kloiber äußerst zwiespältig – auch wenn Tele 5 keine deutschen Filme spielt, so kassiert er doch mit seinen Produktionsfirmen eifrig Filmförderung. Aktuelles Beispiel: „Vision“ von Margarethe von Trotta.

Bernd Neumann hat lange, zu lange versucht, diese schon in einer Person sich widerstreitenden Interessen unter einen Hut zu bringen. Kloiber fordert jetzt sogar öffentlich seine Ablösung. Auch andere Vertreter der Branche, für die er immer alles getan hat, rücken von ihm ab, das war bei der Berliner Medienkonferenz spürbar. Und ist schwoflig, da der Schwarze Peter nur einem zugeschoben wird. Denn der gesamte Verwaltungsrat der FFA hat sich zu lange von den Kinos am Nasenring durch den Ring treiben lassen. Es gehören immer zwei dazu: Der der treibt, und der der sich treiben lässt.

Keiner aus der Creme de la Creme der deutschen Filmbranche hat Bernd Neumann am 12. März beim Branchenhearing von Wirtschafts- und Kulturministerium widersprochen, als er erstmals öffentlich die Neufassung des FFG mit der flächendeckenden Digitalisierung der Kinos vorstellte. Er könne dem Parlament nicht erklären, dass die Branche das Solidarmodell FFG kaputt mache und zugleich staatliche Hilfe für die Digitalisierung wolle, begründete er seine Haltung.

Fortan hackten alle auf den großen Kinoketten rum, die mit ihren Vorbehaltzahlungen immer neuen Forderungen nach Verbesserungen des FFG und einer geschickten Hinhaltepolitik alle im Glauben ließen, sie seien am Fortbestand des FFG interessiert. Und während fleißig ein Kompromissvorschlag nach dem anderen ausgearbeitet wurde, machten die Ketten Nägel mit Köpfen. Sie rüsteten ihre Kinos mit 3-D-Leinwänden aus und brachten damit das so genannte 100er-Modell zur flächendeckenden Digitalisierung der Kinos an den Rand des Tods. Und sie machen weiter. So teilte die Cinestar-Gruppe zum Start von „Oben“ mit, er markiere die zweite Phase des digitalen Roll-outs. Weitere zehn 'FIRST STAR Digital 3D
Cinema'-Säle erhöhen die Zahl dieser Säle bundesweit auf 20.

Bis zum Jahresende sollen noch weitere 16 Säle umgerüstet werden und auch im kommenden Jahr werde CineStar die Umrüstung der Filmpaläste konsequent vorantreiben, kündigt Oliver Fock von der CineStar-Gruppe an. Die Implementierung der revolutionären Technologie, die mit rund 140.000 Euro je Kinosaal nicht unerheblich zu Buche schlägt, sei eine wichtige Investition in die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens, sagt Fock. Auch Kinopolis hat neun weitere Säle mit 3-D-Projektion ausgestattet. Wenn aber rund 250 Leinwände nicht mehr ins 100er- Modell einbezogen werden, geht dessen Rechnung nicht mehr auf.

Der HDF habe die Verknüpfung von FFG und Digitalisierung nicht gewollt, betont dessen Chef Thomas Negele jetzt. Martin Moszkowicz, Allianz Deutscher Produzenten, sprach jetzt beim Berliner Medienforum von einem Fehler. Eine Einsicht, die reichlich spät kommt. Als die Kinos im Juni in der FFA 20 Mio. auf die Hand forderten, womit sie ihre Einzahlungen wieder zurück erhalten hätten, hätte ein Stoppzeichen gesetzt werden müssen. Stattdessen bot der Verwaltungsrat der FFA finanzielle Hilfen für die Kinodigitalisierung in Höhe von 40 Mio. Euro. über 5 Jahre.

Dieser Zuschuss und die Verwirklichung der weitergehenden Forderungen der Kinos – z.B. die Anrechnung der Werbespots – könnte zu der absurden Situation führen, dass die Kinos die von ihnen eigentlich für die Produktion deutscher Filme eingezahlten Mittel komplett wieder heraus bekommen.

Nächster Termin für einen möglichen Kompromissvorschlag ist der 1. Oktober, wenn der Verwaltungsrat der FFA tagt. Die eingesetzte Arbeitsgruppe Strukturhilfe zur Klärung der Probleme hat bislang keine Fortschritte erzielt, wie in Berlin bekannt wurde. Am 22. September war der nächste Termin angesetzt. Stattdessen kommen neue Zahlen auf den Tisch, die das 100er Modell endgültig ad acta legen. Der Durchschnittspreis für die Digitalisierung einer Leinwand soll jetzt bei 75.000 Euro liegen – PriceWaterhouseCooper rechnete noch mit 60.000. Der Gesamtbedarf stieg von 226 Mio. auf 300 bis 350 Mio. Euro.

Wenn der gordische Knoten nicht zu durchschneiden ist, sind der deutsche Film, die Produzenten, alle Filmschaffenden und der Zuschauer die Leidtragenden. Erst Anfang September wurden die Referenzmittel für 2008 ausgezahlt. Normalerweise ist dafür der 31. März der Zahltag. Insgesamt werden auf Grundlage des Wirtschaftsplanes 2009 10,0 Mio. Euro an Referenzmitteln für die Produktionsförderung sowie rund 2,9 Mio. für den Verleih und 1,4 Mio. Euro an die Kinowirtschaft ausgeschüttet. Doch keiner weiß, wie viel für diese Förderart 2009 zur Verfügung steht und der Haushalt der FFA 2009 angesichts der Vorbehaltszahlungen der Kinoketten und anderer Häuser aussehen wird. Knapp 10 Mio. Euro fehlen.

Indessen wird nach alternativen Wegen aus der Krise gesucht. Bürgschaften der staatlichen KfW-Bank könnten den Etat der FFA wieder ins Lot bringen bis eine Entscheidung des Verfassungsgerichts fällt, waren sich Politik und Branche in Berlin einig. Die Idee ist so simpel wie gut und hätte schon lange in Angriff genommen werden können. . Einziger Schönheitsfehler: Die Branche ruft jetzt nach staatlicher Unterstützung für ihr Solidarmodell – und genau dies wollte Bernd Neumann vermeiden. Die Bürgschaften müssten gezogen werden, wenn die Kinos in Karlsruhe Recht bekommen, das FFG verfassungswidrig wäre und die Richter entscheiden, dass das unter Vorbehalt gezahlte Geld zurück erstattet werden müsse. Und wo bleibt dann die flächendeckende Digitalisierung?

Zum einen haben die Länder Handlungsbedarf erkannt. Bayern hat ein Förderprogramm aufgelegt, in NRW wird daran geschrieben. Im Gespräch ist bundesweit ein neues Modell, bei dem 50 Cent vom Kauf einer Karte für die Finanzierung der Digitalisierung eingesetzt werden. Wobei noch unklar ist, ob dafür die Ticket-Preise erhöht werden müssen. Bund und Länder sollen einbezogen werden.

Doch die UCI soll schon abgewinkt haben, andere Kinoketten überlegen noch, ob sie sich beteiligen. Gegenwind kommt momentan auch von den Länderförderern. So beklagte Michael Schmidt-Ospach, Filmstiftung NRW, dass sie nicht gefragt worden seien. Er muss auch nicht einbezogen werden, da seine Förderrichtlinien von den Länderpolitikern bestimmt werden.

Voraussetzung für ein neues Modell zur flächendeckenden Digitalisierung wäre jedoch eine Einigung zwischen Verleih und Kinos über eine Modifizierung bei den Verleihmieten. Doch noch wähnt sich in den Verhandlungen der Verleih in der Position des Stärkeren. Schon jetzt könnten einige Kinos eine größere Zahl von digitalen Vorführungen anbieten und die Verleiher bei den Transportkosten sparen. Sie tun es nicht, weil die Verleiher für digitale Kopien höhere Mieten kassieren wollen. Ein Wunsch, der völlig außer Acht lässt, dass die Kinos bislang alleine für die technische Aufrüstung ihrer Häuser bezahlt haben. Sie können jetzt nicht nochmals bluten, in dem pro verkaufter Karte weniger in ihrer Kasse bleibt. Mit solchen Forderungen werden die Kinos kaputt gemacht. Und in der gegenwärtigen Diskussion ist diese Politik zudem äußerst kontraproduktiv.




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