Film & Fernsehen

Heinze Kündigung – Einzelfall oder Wiederholung möglich?

(BFV-Newsletter 09/2009) Es schlug wie ein Bombe ein – Doris J. Heinze, mächtige Fernsehspielchefin des NDR, wurde am 27 August vom Dienst suspendiert. Am 9. September folgte die fristlose Kündigung. Heinze hatte zunächst zugegeben, für fünf Bücher ihre Mannes Claus Strobel unter dem Pseudonym Niklas Becker grünes Licht gegeben zu haben. Was ARD-Intendant Lutz Marmor am Rande des Sommerfestes des Studios Berlin in Adlershof wunderte.
Der Sender könne kein Berufsverbot wegen familiärer Bindungen aussprechen, Heinze hätte die Tätigkeit ihres Mannes bekannt machen können - dann wären die Bücher von einem anderen Mitarbeiter des Senders oder in einer anderen ARD-Anstalt geprüft worden.

Die Abwicklung der Aufträge lief über die Produktionsfirma AllMedia in München. Die Geschäftsführung will nichts geahnt haben. Doch ist es ein Zufall, dass die Bayern 2001 ein Drehbuch von Niklas verfilmten und 2003 eine Ausschreibung für die Reihe „Polizeiruf 110“ des NDR gewannen? Mittlerweile hat die Firma reagiert. Produzentin Heike Richter-Karst wurde suspendiert, die Produktion des Schweriner „Polizeirufs 110“ des NDR mit dem neuen Ermittlerduo Annike Kim Semrau und Charly Hübner wurde innerhalb des Mutterkonzerns MME an die Filmpool weiter gereicht.

Der NDR ist den Verdachtsmomenten gegen Heinze konsequent nachgegangen und deckt einen wahren Sumpf auf. So hieß es zunächst, Heinzes Managerin Inga Pudenz soll mit deren Wissen unter dem Pseudonym Marie Funder geschrieben haben. „Doris Heinze soll unter Pseudonym über externe Produktionsfirmen zwei Drehbücher und ein Treatment für den NDR geschrieben haben, ohne dass dies dem Sender bekannt war“, teilte die Anstalt am 31. August mit.Inzwischen hat Heinze gestanden, dass sie selbst die Autorin war.

Zwei Tage nach der fristlosen Entlassung Heinzes, haben die internen Ermittlungen des NDR einen weiteren Betrugsfall aufgedeckt, über den Lutz Marmor den Verwaltungsrat des Senders informiert hat. Demnach soll Heinze ein von ihr angefertigtes, noch nicht verfilmtes Drehbuch zu dem Film "Dienstage mit Antoine" einmal unter ihrem Pseudonym "Marie Funder" an die Produktionsfirma Allmedia Pictures und einmal unter ihrem richtigen Namen in einer leicht veränderten Version an die Produktionsfirma Network Movie Hamburg verkauft haben. Offiziell hätte sie ein Buch pro Jahr für ARD und ZDF abliefern können, das auch nur mit der Hälfte der sonst üblichen Gage abgegolten wird.Damit ist dem NDR ein materieller Schaden entstanden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Betrugs.

Indessen hat der NDR Vorwürfe gegen den Verband Deutscher Drehbuchautoren erhoben. Vorstandsmitglied Pim Richter war im "Spiegel" mit der Aussage zitiert worden, sein Verband habe schon seit fast drei Jahren Hinweise auf "Niklas Becker". Der Verband müsse sein Selbstverständnis prüfen, so ein NDR-Sprecher. Der Verband weist den Vorwurf zurück – schließlich ist es nicht seine Aufgabe zu kontrollieren, wer sich hinter welchem Pseudonym verbirgt. Die Zeiten von Pflichtmitgliedschaften sind in diesem Land zum Glück vorbei. Der Verband kann auch nicht Gerüchten nachgehen, nur weil sie seit Jahren in der Branche kursierten. Das nimmt auch Lutz Marmor für den NDR in Anspruch: Kein Sender könne allen Gerüchten über Küngeleien nachgehen, sondern brauche konkrete Verdachtmomente.
Die hatte Autor Fred Breinersdorfer, der einen Praktikanten mit der Recherche nach der Identität von Niklas Becker beauftragt hatte. Seit Jahren hatte sich der Autor über den Filz geärgert. Parallel recherchierte die „Süddeutsche Zeitung“

Entscheidend wird für die Zukunft sein, wie die ARD nach der schnellen und korrekten Handlungsweise des NDR langfristig mit dem Skandal umgeht. Ist es nur krimineller Ehrgeiz einer Redaktionsleiterin? Oder gibt es nicht auch Fehler im System? Nur zur Erinnerung, in diesen Tagen schlug das Leipziger Arbeitsgericht im Prozess zwischen dem MDR und seinem ehemaligen Sportchef Wilfried Mohren und dessen Frau einen Vergleich vor. Rund 380.000 Euro soll das Ehepaar zahlen, damit es wegen Bestechlichkeit und Vorteilsnahme mit einer Bewährungsstrafe davon kommt. Wenige Jahre zuvor war HR-Sportchef Jürgen Emig für das gleiche Delikt für mehr als zwei Jahre hinter Gitter gewandert.

Sicher, keiner ist gegen ein hohes Maß an krimineller Energie gewappnet, wie es der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust einschätzte. Warum gilt nicht ARDweit die Regel des SWR, dass die Redakteure keine Drehbücher für den eigenen Senderverbund schreiben dürfen? Und braucht es neben Vertrauen nicht auch ein gewisses Maß an Kontrolle? „Bevor der NDR einen Produktionsauftrag erteilt, muss das Projekt zumindest formal sorgfältig geprüft werden. Am Ende stehen unter dem Auftrag sechs Unterschriften. Die letzte ist die des Programmdirektors.

Auch wenn Heinze dieses Dokument mitunter zweimal unterschrieb, als Redakteurin und als Redaktionsleiterin: Hätte da ihr direkter Vorgesetzter nicht genauer hinschauen müssen?, fragte das „Hamburger Abendblatt“. Heinzes Vorgesetzter war von 1994 bis 2007 Verena Kulenkampff, Programmdirektorin des WDR. Zum Fall Heinze möchte sie sich nicht äußern. Deren Vorgesetzter war bis 2004 NDR-Programmdirektor Jürgen Kellermeier. „Heinze und er waren im Jahr 2000 zeitgleich bei den Olympischen Spielen in Sydney - er in dienstlicher Mission, sie als Touristin,“ berichtet das „Abendblatt“. Einigen NDR-Hierarchen solle die Reise der beiden missfallen haben. Kellermeier mag sich dazu nicht äußern.

Wenn Kulenkampff vom System Heinze, das seit 1994 bestanden haben soll, wusste oder etwas ahnte, sollte sie Konsequenzen ziehen. Und es muss ein strengeres Kontrollsystem etabliert werden. Entscheidend wird sein ein internes Klima zu schaffen, dass Mitarbeiter solche Vorgänge nicht dulden, weil sie Angst um die eigene berufliche Zukunft haben. Offensichtlich reichen die Ombudsmänner nicht aus, die es seit Jahren in einigen Anstalten gibt. Andererseits fehlen in den Sendern Anlaufstellen für Außenstehende, um solche Verdachtsmomente zu äußern ohne die eigene Existenz aufs Spiel zu setzen.

Wie es nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ der Polizeiruf-Ermittler Uwe Steimle erfahren musste, der ein von Heinze entwickeltes Drehbuch kritisiert hatte und von deren Chef Tom Schreiber vor die Tür gesetzt wurde. „Ich fühlte mich wie ein gläserner Mensch", sagt der Schauspieler dem „Hamburger Abendblatt“. "Die wussten alles über mich." Gemeint sind Heinze, Heike Richter-Karst von der AllMedia und Inga Pudenz, Agentin von Heinze und Steimle.

Egal ob es um die Auswahl von Drehbüchern geht oder den Themenklau durch Redakteure in anderen Bereichen - im Zweifel ist der machtlos oder sogar arbeitslos, der die Idee eingebracht hat. Andere Sender haben auf solche Beschwerden reagiert und zum Beispiel separate Anlaufstellen für externe Firmen geschaffen. Wobei auch das deutsche Recht leider gnadenlos auf Seiten der Sender ist. So werden einem Kläger, der die Formatrechte für die Fußball-Casting-Show des DSF eingeklagt hat, wenig Chancen eingeräumt.

Ausklappen/Einklappen