Deutschland dominiert Europäischen Filmpreis – das Fernsehen verschläft das Event

(BFV-Newsletter 11/2010) Zu Tränen gerührt bedankten sich der Komponist Gabriel Yared, der unter anderem die Musik für "Camille Claudel" und "Das Leben der Anderen" geschrieben hat, und Bruno Ganz für die Standing Ovations, mit denen ihnen die europäische Filmgemeinde für ihr Lebenswerk dankte.
Ihre Auszeichnung war der Höhepunkt einer schwungvollen, von Anke Engelke und dem estnischen Schauspieler Märt Avandi moderierten Gala. In Deutschland konnte sich leider nur Arte zu einer zeitversetzten Übertragung entschließen. Was einmal mehr ein schlechtes Licht auf die eigenwillige Programmplatzierung von Events durch ARD und ZDF wirft. Die sich oftmals hinziehenden Verleihungen von Bambi und Co sind ihnen Stunden kostbarer Sendezeit wert, während sie den europäischen Film nicht in das ihm gebührende Rampenlicht rücken wollen. Die nächste Chance haben sie im kommenden Jahr in Berlin. Ein Jahr später wird der Preis in La Valetta auf Malta verliehen, einem Filmland, das vor allem als Schauplatz von internationalen Großproduktionen gefragt ist. Beide Städte werden es schwer haben, die Gastfreundschaft der Esten zu übertreffen. Unter dem Motto "Meet the Europaens" luden 75 Familien Tallinns die Filmgemeinde des Kontinents in ihre Wohnzimmer ein.
Roman Polanski war sichtlich bewegt. Der 77jährige und sein Thriller "The Ghost Writer" sind die großen Gewinner bei der Verleihung der Europäischen Filmpreise in Tallinn. Ewan Mc Gregor, Alexandre Desplat für die Musik, Albrecht Konrad für die Ausstattung freuten sich neben Polanski, der für die Regie und gemeinsam mit Robert Harris für das Buch geehrt wurde. Und auch der Preis für den besten Film ging an die deutsch-französisch-britische Koproduktion, die komplett auf Sylt, Usedom, Berlin und im Studio Babelsberg gedreht wurde. Mit "The Ghost Writer" setzte sich der kommerziell erfolgreichste Film unter den nominierten Perlen des europäischen Arthouse-Kinos durch, die brisante politische und gesellschaftliche Themen filmisch exzellent umsetzen und mit diesem Konzept in den vergangenen Monaten auf den großen internationalen Festivals für Aufsehen sorgten. Die 3000 Mitglieder der Akademie berücksichtigten den Gewinner des Goldenen Bären "Honig" aus der Türkei, den in Cannes mit der Goldenen Palme geehrten französischen Film "Des Hommes et des Dieux" ebenso wie den spanisch-argentinischen Oscar-Gewinner "El Secreto de sus ojos" und die israelisch-französisch-deutsche Koproduktion "Lebanon", der 2009 die Jury in Venedig überzeugt hatte. Für das Kammerspiel wurde Giora Bejach als bester Kameramann ausgezeichnet.
In diesem Kreis war Fatih Akins "Soul Kitchen" trotz des Großen Preises der Jury in Venedig 2009 nur Außenseiter. Und auch Feo Aladag tröstete sich, dass sie noch viele Gelegenheiten habe zu gewinnen. Ihr Film "Die Fremde" war für den von Europäischer Filmakademie und dem internationalen Kritikerverband FIPRESCI gemeinsam vergebenen Preis für die besten Newcomer-Filme ausgewählt worden. Erwartungsgemäss gewann ihn der autobiografische Film "Lebanon". Regisseur Samuel Maoz scherzte, dass er knapp 50 Jahre alt sei, es aber nie zu spät für ein Filmbebüt sei. Für einen großer Abend des deutschen Films sorgten neben dem Studio Babelsberg, die auch an "Mr. Nobody, dem Gewinner des Publikumspreises beteiligt sind, weitere Produzenten, die von der deutschen Filmakademie bei der Verleihung der eigenen Filmpreise ausgeschlossen werden. Die bezaubernde Sylvie Testud überzeugte in Jesscia Hausners deutsch-österreichisch-französischer Koproduktion "Lourdes". Für den Schnitt des Biopiks "Carlos, der Schakal", an dem die Berliner Firma EgoliTossellFilms beteiligt ist, wurden Luc Barnier & Marion Monnier geehrt. Und last but not least gewann die französisch-chilenisch-deutsche Koproduktion "Nostalija de la Luz" Patricio Guzmán den Preis für den besten Dokumentarfilm, der in wenigen Wochen in Deutschland ins Kino kommt. Der Altmeister widmete den Preis den Müttern, die noch immer nach den Verschwundenen aus der Ära des Diktators Pinochet in Chile suchen.


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