Rundfunk

Der mediale Wandel: Crossmedia und die Folgen: „contentorientierte multiskiller“ oder die eierlegende Wollmilchsau?

(München, 21. März 2013) Das Internet hat einen erheblichen Einfluss sowohl auf die Medien als auch auf die Medienschaffenden! Darin waren sich am 18. März 2013 im DGB-Haus München alle Beteiligten der Veranstaltung „Crossmedia und die Folgen“ einig. Auf Einladung des Medienfachbereiches von ver.di Bayern diskutierten der Medienwissenschaftler Prof. Dr. Klaus Meier sowie Vertreter des Bayerischen Rundfunks (BR) und Gewerkschafter - intensiv und teils kontrovers.
Auftakt der mit fast 100 Interessierten sehr gut besuchten Veranstaltung im Gewerkschaftshaus war ein Vortrag des renommierten Medienwissenschaftlers Prof. Dr. Klaus Meier von der Universität Eichstätt.

Trotz des wachsenden Einflusses des Internets auf die Medienlandschaft stehe weiterhin das Fernsehen in der Gunst der Nutzerinnen und Nutzer an erster Stelle, betonte Professor Meier. Das Radio bleibe als Medium bezogen auf den Zuhörerinnenzuspruch stabil. Bei den Print-Produkten, vor allem den Tageszeitungen, hingegen sei ein kontinuierliches „Sterben“ festzustellen. Der Einfluss des ständig verfügbaren und inzwischen portablen Internets führe dazu, dass die Arbeit der Journalistinnen und Journalisten sich immer weniger an der nächsten Ausgabe als Produkt orientiere, sondern zusehends inhaltsbezogen stattfände. Die Digitalisierung ermögliche eine ständige und kontinuierliche Fortschreibung von Themen und Geschichten, auch unter Partizipation der Konsumentinnen. Neuartige Redaktionssysteme helfen hierbei den „multiskillern“ (Alleskönnern), ihren content (Inhalt) an den user (Nutzer) zu bringen.

Die „Begeisterten“ unter den Medienschaffenden würden nach Meier die Vorteile in einer höheren Reichweite ihrer Inhalte sehen. Sie glaubten an eine Erhöhung der Qualität durch besseres Arbeiten. Für die „Skeptiker“ wüchse der Zeitdruck, was zu einer Verschlechterung der Ergebnisse und zu einem Verlust an Medienvielfalt führen würde. Befürchtet wird der Medienschaffende der Zukunft als „eierlegende Wollmilchsau“, die alles ein bisschen - aber nichts richtig kann.

Für den Wissenschaftler wandelt sich die Aufgabe der Medien weg davon, der Gesellschaft Themen vorzugeben. Die Herausforderung werde sein, sich inhaltlich an der Öffentlichkeit zu orientieren und hierbei zu beobachten, statt vorzugeben. Veränderungen, wie sie beim BR anstehen, sieht er hierbei als alternativlos. „Wenn Sie heute eine ARD und die angeschlossenen Anstalten erdenken und planen würden, dann würden Sie sie nicht so aufstellen, wie es heute der Fall ist. Der BR geht hier aus medienwissenschaftlicher Sicht in die richtige Richtung“, so Meier.

Der Weg, den der BR beschreiten will und wird, wurde im Anschluss von Herrn Dr. Roland Scheble, Leiter des neuen Programmbereichs „Planung und Entwicklung“ beim BR, in einem zweiten Vortrag vorgestellt. Die bisher nach Medien getrennten Parallelstrukturen sollen in eine an Inhalten orientierte „trimediale"Struktur überführt werden. Trimedial, weil beim BR die drei Medien Fernsehen, Hörfunk und Internet betroffen sind. Der Strukturabbau solle wieder mehr Kapazitäten für mehr Hintergründe und Tiefe im Programm schaffen. Bei dem auch mit umfangreichen baulichen Veränderungen verbundenen Prozess würden die Beschäftigten des BR so gut wie möglich „mitgenommen werden“. Hierbei müssen nach Ansicht von Dr. Scheble perspektivisch „nicht alle Beschäftigten tatsächlich trimedial arbeiten, es sollen aber alle trimedial denken“.

Moderiert von ver.di-Pressesprecher Hans Sterr diskutierten neben den Referenten der Verwaltungsdirektor des BR, Lorenz Zehetbauer, ver.di- Landesleiterin Luise Klemens (Mitglied des BR-Rundfunkrates) und der für den BR zuständige Gewerkschaftssekretär Valentin Döring über die anstehenden Veränderungsprozesse. Thematisiert wurden insbesondere die Einbindung der Beschäftigten und ihrer Vertreterinnen in den Umstrukturierungsprozess und die möglichen Veränderungen für die unterschiedlichen Beschäftigungsgruppen am Beispiel des BR. Erfreulich war hierbei die Aussage von Lorenz Zehetbauer, dass „betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen seien“. Bezogen auf die freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurde hingegen lediglich versichert, dass die bestehenden Tarifverträge eingehalten würden. Dass es aus Kostengründen bei den festen Freien des BR zu Einschnitten kommen würde, hielt der Verwaltungsdirektor auf Nachfrage von Hans Sterr hin für „möglich“. Roland Scheble berichtete, „dass beim BR gerade eine Arbeitsgruppe eingerichtet wurde, „die sich um die Konzipierung der notwendigen Schulungsmaßnahmen kümmern“ werde. Verwaltungsdirektor Zehetbauer versicherte, „dass der BR alles unternehmen wird, um auf dem Wege keine Mitarbeiter zu verlieren.“ Professor Meier betonte, auch „in Zukunft wird es noch einen Bedarf an Spezialisten geben: Nicht alles kann trimedial sein; Hörspiel bleibt Hörspiel und Fernsehspiel bleibt Fernsehspiel.“ Luise Klemens mahnte, dass „Veränderungen in einer Matrix nur dann funktionieren können, wenn die Beschäftigten nicht nur beteiligt, sondern auch tatsächlich gehört werden. Andernfalls scheitert ein solcher Prozess.“

Zum Abschluss der Veranstaltung erhielt das Publikum die Möglichkeit zu Stellungnahmen und Fragen. Dabei wurde deutlich, dass sich die „festen Freien“ des BR in dem Prozess bisher nicht ausreichend berücksichtigt fühlen. Nach Meinung eines ver.di-Mitgliedes besteht die Gefahr, dass in den angestrebten Strukturen und Gruppenprozesse, das Werk des Einzelnen verloren gehe und das zu einem vollständigen Wegfall der bisherigen Vergütungsgrundlage führen würde. Für die Vorsitzende des BR-Personalrates, Monika Philipp, fehlt es in den bisherigen Überlegungen bislang an einer ausreichenden Berücksichtigung der an den Produktionen und technischen Abläufen beteiligten Beschäftigten, aber auch an der Berücksichtigung des Menschen als zentralem Ausgangspunkt für alle Planungen.

Dass sich die Planungen „nicht nur nach den Inhalten sondern vor allem nach den Menschen richten sollen, die die Inhalte erdenken, recherchieren, produzieren und auf den Weg bringen“, war auch das abschließende Plädoyer des Veranstalters Valentin Döring.

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