Film & Fernsehen

Informationen Mangelware: Filmemacher schauen nach Auftragstopp bei der Degeto weiter in die Röhre

(ver.di FilmUnion-Newsletter 1/2013) Bis heute ist nach dem Auftragsstopp im Herbst 2011 bei der Degeto Film GmbH, dem größten aller öffentlich-rechtlicher Tochterunternehmen, noch keine Normalität eingekehrt. Filmschaffende und Produzenten hofften bisher vergeblich auf Informationen über die Neuausrichtung des Unternehmens. Wenige Anmerkungen kamen von Geschäftsführerin Christine Strobl kürzlich in Hamburg.
Auf einer Pressekonferenz Mitte Januar, auf der die ARD ihr filmisches Jahresprogramm vorstellte, sagte Strobl, dass die Umstrukturierung der Degeto noch "eine Weile dauern wird. Wir werden aber weiter produzieren.“ So würden dieses Jahr 40 Degeto-Produktionen gedreht und bis 2014 sollen die Lagerbestände weitgehend abgebaut sein. Die Degeto Film GmbH ist als Koproduzentin an äußerst unterschiedlichen Produktionen beteiligt, die bei Publikum und Kritikern gleichermaßen erfolgreich waren, wie „Berlin, Berlin“, „Die Wüstenblume“, „Der Untergang“, „Kirschblüten – Hanami“, „Mankells Wallander“ sowie einige Tatort- und Polzeiruf-110-Folgen. Der Freitagabend-ARD-Sendeplatz um 20.15 wird hauptsächlich mit Degeto-Filmen bestückt.

Seit Juli 2012 ist Christine Strobl die neue Degeto-Geschäftsführerin und damit Mitverwalterin des 400 Millionen Euro-Etats, der der Firma zum Filmankauf und zur Produktion jährlich zur Verfügung steht. Mit der neuen Geschäftsführung sollte alles besser werden, darüber waren sich die ARD-Intendanten im Sommer 2012 einig. Die ARD-Fernsehfilm-Chefs wollten stärker in die Auftragsplanung eingebunden werden, die sollte vom Drehbuch- bis zum Produktionsauftrag gestrafft und nachvollziehbarer gestaltet werden. Doch obwohl die Degeto gebührenfinanziert ist und mit Abstand über den größten Film-Etat unter den ARD-Töchtern verfügt, rätselt die Branche weiter darüber, nach welchen Kriterien die neue Geschäftsführung die begehrten Aufträge an unabhängige Produzenten in Zukunft vergeben wird. Woran man bei der Degeto im Moment eigentlich genau arbeitet, war nicht zu erfahren.

Bekannt ist aber, dass in den nächsten beiden Jahren erst einmal die Defizite der Vergangenheit abzubauen sind. Im Herbst 2011 stellte sich heraus, dass die Degeto in wirtschaftliche Schieflage geraten war. Aufgrund der kräftigen Auftrags- und damit Etat-Überziehung in der Ära des früheren Geschäftsführers Hans-Wolfgang Jurgan und der so entstandenen Halde bisher nicht ausgestrahlter Fernsehwerke und teurer Filmlizenzware, werden bis Ende 2014 erheblich weniger Mittel für Auftrags- und Kino-Ko-Produktionen zur Verfügung stehen. Deshalb wurden von einem Tag auf den anderen keine weiteren Produktionsaufträge mehr vergeben. Die Meldung vom Auftragsstopp bei der Degeto erreichte Produktionsfirmen und freie Filmschaffende völlig unvorbereitet. Die ganze Branche geriet in Aufregung, denn Produktionsfirmen, AutorInnen, RegisseurInnen und SchauspielerInnen können nicht ohne weiteres zwei Jahre ohne Auftrag auskommen, ohne dabei ihre Existenz zu gefährden. „Wenn sich die Degeto tatsächlich aus ihrer Produktionstätigkeit noch länger heraushält, kann ich garantieren, dass Produktionsfirmen an Weihnachten wesentlich weniger Weihnachtskarten verschicken werden. Es wird sie nämlich nicht mehr geben“, sagte der Regisseur Stephan Wagner. Wagner weiter: „Die Degeto muss sich in ihrer Neuausrichtung darüber bewusst werden, welche Verantwortung sie nicht nur für den deutschen Film– und Fernsehmarkt besitzt, sondern für den gesamteuropäischen Markt. Das europäische Kino ist ohne die Degeto nicht denkbar.“

Doch vorerst muss sich die Degeto noch einmal mehr mit Altlasten beschäftigen. Wegen des Jurgan-Skandals hatte die ARD die Bücher der Degeto von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG überprüfen lassen. Im Dezember 2012 tauchten dabei Rechnungen aus den Jahren 2005 bis 2009 auf, in denen keine Umsatzsteuer ausgewiesen war. Die ARD-Anstalten haben diesen Umstand ihren jeweiligen Finanzämtern angezeigt. Nach Angaben eines Sprechers rechnete die ARD vorerst allerdings nicht mit einer Steuernachzahlung. Denn fehlerhaft war lediglich die Bezeichnung der „Rechnungen", die in Wahrheit „Abrechnungen" gewesen seien, was auch auf die Umsatzsteuer Einfluss habe.

Christoph Brandl


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