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TTIP – unheimlich heimlich

Seit Juli letzten Jahres laufen die Verhandlungen zur Transatlantic Trade and Investment Partnership, kurz TTIP. Kaum etwas wird im Moment so heftig diskutiert und das Erstaunliche daran ist, dass man den konkreten Stand der Verhandlungen nur erahnen kann - es wird geheim verhandelt. Angela Merkel sagte damals kurz vor Verhandlungsbeginn: „Nichts wünschen wir uns mehr als ein Freihandelsabkommen zwischen Europa und den Vereinigten Staaten.“ Kritiker wie ver.di dagegen wünschen sich vor allem Transparenz bei den Verhandlungen und die Gewährleistung der europäischen Standards bezüglich Demokratie, Umwelt, Kultur, Jurisprudenz, Daseinsvorsorge und des Rechts- und Sozialwesens.
Mit TTIP wollen die USA und die EU durch vereinheitlichte gemeinsame Marktregeln und den Abbau von Zöllen und Handelsbarrieren eine transatlantische Freihandels- und Investitionszone für einen 800 Millionen Menschen großen Markt schaffen. Marktliberalisierungen, die bisher schon in der WTO sowie in anderen bilateralen Abkommen vereinbart worden waren, sollen festgeschrieben und auf einheitlichem Niveau weiterentwickelt werden.

ver.di fordert insbesondere:

  • Öffentliche Verhandlungen:


Die Verhandlungen zu TTIP unterliegen der Geheimhaltung. Das Verhandlungsmandat für die EU-Kommission wurde von den Regierungen im EU-Rat im Juni 2013 beschlossen. Dieses Mandat ist weder öffentlich, noch durch das Europaparlament demokratisch legitimiert. Mögliche Verhandlungsergebnisse brauchen die Zustimmung des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente. Die Folgen des Abkommens können gewählte Parlamentarier aber auf sehr viele Jahre binden. In dem Handelsabkommen werden jetzt also schon hinter verschlossenen Türen die Weichen dafür gestellt, was Parlamente in Zukunft dürfen.

Die Gewerkschaften haben sich von Beginn der Verhandlungen an klar positioniert. An erster Stelle steht die Forderung nach völliger Transparenz und umfassender Beteiligung der Parlamente, der Zivilgesellschaft und der Gewerkschaften an den Verhandlungen. Die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten müssen ihren Parlamenten und den Organisationen der Zivilgesellschaft alle relevanten Dokumente zugänglich machen und umfassend über die Verhandlungen informieren.

  • Einhaltung europäischer Standards bezüglich Demokratie, Umwelt, Kultur, Jurisprudenz, Daseinsvorsorge und des Rechts- und Sozialwesens


Soziale und ökologische Ziele müssen gleichrangig mit den wirtschaftlichen Zielen verfolgt werden. Das heißt: Anpassung von Umweltvorschriften und Standards jeweils auf dem höchsten Niveau, vollständige Ratifizierung aller ILO-Sozialstandards in der EU wie in den USA, Sicherung von Mitbestimmungs- und Arbeitnehmerrechten in transatlantischen Unternehmen auf höchsten Standard. Wenn Beschäftigten zur Arbeit in die USA oder nach Europa entsandt werden, dann muss das Ziellandprinzip gelten: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort. Die Rechte von Verbraucherinnen und Verbraucher müssen ebenfalls auf höchstem Niveau geschützt werden. Der Schutz von persönlichen Daten und der Schutz von Urheberrechten muss gewährleistet werden.

Öffentliche Dienstleistungen sind aus dem Abkommen auszuklammern. Bisherige EU Vereinbarungen zum Schutz öffentlicher Dienstleistungen dürfen nicht durch die Hintertür durch TTIP bedroht werden. Das in der EU geltende Subsidiaritätsprinzip, wonach Kommunen, Länder und Mitgliedsstaaten ihre Daseinsvorsorge weitgehend selbst gestalten, muss strikt beachtet werden.

Auch für das öffentliche Beschaffungswesen dürfen keine Regelungen erfolgen, die zu weiterer Liberalisierung oder Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen führen.

Die geplanten Investoren/Staat-Streitschlichtungsmechanismen sichern einseitig die Privilegien für Investoren. Sie schützen deren Profite und bewahren sie vor den Kosten von notwendigen sozialen und ökologischen Veränderungen in den Vertragsstaaten. Deshalb lehnt ver.di Investoren/Staat-Streitschlichtungsverfahren im TTIP ab. Die Rechtsordnungen beider Wirtschaftsräume bieten ausreichenden Schutz für Investoren. Die Entscheidung der EU nicht über audiovisuelle Dienstleistungen als Träger kultureller Vielfalt zu verhandeln, muss ebenso Bestand haben wie die UNESCO-Konvention zum Schutz der Vielfalt der Kultur.

Mittlerweile regt sich gegen das Vorhaben massiver Widerstand auch von Teilen der Politik und Journalisten, der Bürger, Verbraucherschutz-, Umweltschutz- sowie Nichtregierungsorganisationen. Kritiker befürchten, dass Hormonfleisch oder geklonte Produkte nach Europa gelangen könnten (= „das Chlorhuhn auf deutschen Speisekarten“), weiterhin die Fortsetzung der Amerikanisierung Europas Kultur, die Abschaffung des Urheberrechts, die Aushebelung der ordentlichen Gerichtsbarkeit durch den Investitionsschutz. Denn, wenn es nach dem Willen der Amerikaner ginge, könnte zum Beispiel Amazon gegen die Buchpreisbindung in Deutschland Wirtschaftsnachteile geltend machen, und ohne ein ordentliches Gericht anzurufen eine Entschädigung einklagen können. Bezahlt mit Steuergeldern.

Ein Beispiel aus Südamerika, wo es eine solches Abkommen mit den USA bereits gibt, gießt Öl ins Feuer der Kritiker: Der Tabakkonzern Philip Morris verklagte 2010 den Staat Uruguay auf zwei Milliarden Dollar, weil das Land strengere Rauchergesetze erlassen hatte. Zwei Milliarden Euro stellen ein Siebtel des uruguayischen Staatshaushaltes dar. Eine Revision war nicht möglich, da die privaten und geheimen Schiedsgerichte die letzte Instanz waren.

Auch die Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat sich kürzlich in die Diskussion eingeschaltet. Mitte Mai warnte sie auf einer Veranstaltung in der Akademie der Künste in Berlin: „Kultur, Medien und Urheberrecht müssen explizit aus dem transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP ausgeklammert werden - sonst werde diese Bereiche schnell zur schnöden Handelsware verkommen, vergleichbar der Gefrierkost.“ Für die Grütters steht sogar "unsere Identität als Kulturnation" auf dem Spiel.

Deshalb wiederholte Grütters ihre Forderung nach einer Generalklausel, die die Bereiche Kultur, Medien und Urheberrecht aus dem Abkommen ausklammert. „Gerade Deutschland hat viel zu verlieren“, sagte Grütters. Das Land verfüge über die höchste Theaterdichte der Erde, die Museen zählten jedes Jahr mehr Besucher als alle Bundesligastadien zusammen und jedes zweite Profiorchester der Welt befinde sich auf deutschem Boden. Künstler und Intellektuelle könnten nur dann kritisch sein, wenn sie nicht unmittelbar gefallen müssten. Den USA werde so eine Klausel für die Wahrung ihrer Interessen bezüglich der inneren Sicherheit schließlich auch zugestanden.

Hans-Jürgen Urban, Vorstandsmitglied der IG Metall, machte auf derselben Veranstaltung darauf aufmerksam, dass die Regierungen auch für Erfolge der Gewerkschaften verantwortlich gemacht werden könnten: Wenn ein Konzern beispielsweise unter der Bedingung investiert, dass es in Deutschland keinen Mindestlohn gibt, der dann aber doch eingeführt wird, könnte der Konzern Anspruch auf eine Entschädigung für entgangene Gewinne haben.

In der Akademie der Künste sprach man daher von einem "schleichenden Staatsstreich". Den Vorwurf des Anti-Amerikanismus wies der Akademiepräsident Klaus Staeck jedoch zurück: "Unsere Gegner sind nicht die Amerikaner, sondern die globalen Konzerne."

Bisher gab es vier TTIP-Verhandlungsrunden; konkrete Ergebnisse liegen aber noch nicht vor. Die Gespräche könnten laut Experten mehrere Jahre dauern. Am Ende muss auch das Europaparlament zustimmen. Als Vorläufer gilt das Multilaterale Investitionsabkommen, das bereits in den 1990er Jahren auf erhebliche Widerstände von Aktivisten und NGO stieß und schließlich am Widerstand Frankreichs scheiterte.

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