Filmstandort München

Die fetten Jahre sind vorbei?


Der Titel der Diskussionseinladung lautete: Filmstandort Deutschland, sind die fetten Jahre vorbei? Hierzu debattierten unter der Moderation von Corinna Spies: Heinrich Schafmeister, Schauspieler (BFFS) Bettina Reitz, Fernsehdirektorin des Bayerischen Rundfunks Christoph Fisser, Vorstand Studio Babelsberg AG Prof. Dr. Klaus Schäfer, Geschäftsführer FimFernsehFonds Bayern Matthias von Fintel, Tarifsekretär ver.di Matthias Esche, Geschäftsführer Bavaria Film GmbH Inspiriert durch den Film und den Protest der Filmschaffenden als Auftakt setzte das Podiumsgespräch dann auch nicht abstrakt bei der filmwirtschaftlichen Großwetterlage ein, sondern ganz konkret bei einem jüngst erzielten Erfolg für die Film- und Fernsehschaffenden, der Kinoerlösbeteiligung, die bei ab 2014 produzierten Kinofilmen die Kreativen erstmals tariflich geregelt an den Erlösen von Kinofilmen beteiligen wird. Der Tarifvertrag beantworte die Frage, an welchen Erlösen soll ab wann wer wie hoch beteiligt werden, so Heinrich Schafmeister, der den Tarifvertrag für den BFFS mitverhandelt hatte. Gewandt habe man sich an die Produzenten, weil diese nun mal die Vertragspartner der Film- und Fernsehschaffenden seien. Endlich sei nun kein Hase-und-Igel-Spiel mehr möglich, bei dem die Filmschaffenden als Bittsteller zwischen Sendern und Produzenten hin und her geschickt werden könnten. Hier sei ein populäres und solidarisches Ergebnis erzielt worden, weil viele Filmschaffende beteiligt würden, wenn für die Produzenten die schwarze Null erreicht sei, d.h. wenn der Produzent Kredite und Eigenmittel refinanziert habe und die Rückzahlung an die Filmförderer einsetze. Matthias Esche verwies auf die segensreiche Wirkung der Produzentenallianz als Tarifpartner, die hart, aber fair verhandelt habe. Das Ergebnis sei für beide Seiten zufriedenstellend. Corinna Spies stellte die Frage, ob sich aus Sicht der Förderer durch die Erlösbeteiligung der Urheber etwas am Rückzahlungszeitpunkt der Fördermittel ändern wird. Aus der Sicht von Klaus Schäfer gibt es diesbezüglich mit den Förderanstalten keinen Konflikt. Bereits seit den 90er Jahren gebe es die 50-Prozent-Regel, nach der die Förderer die Hälfte der Fördersumme beim Produzenten beließen, um diesem damit neue Projekte zu ermöglichen. Über ihre Hälfte könnten die Produzenten frei verfügen. Dass ein Teil der Erlösbeteiligung von Förderanstalten bezahlt werden könne, wies der Leiter der bayerischen Filmförderung entschieden zurück. Durch die von den Erlösberechtigten geforderte Konstruktion, die Erlösbeteiligung als gesetzlichen Rechtsanspruch und somit als unbedingt zahlbare Kosten der Produzenten anzuerkennen und die Rückzahlung von Fördermitteln zumindest teilweise hintanzustellen, würde die Filmförderung massiv schwächen, so Schäfer. Der Geschäftsführer der Bavaria Film Matthias Esche sprang dem Förderer insoweit bei, Kino sei Hochrisiko. Mit der Vereinbarung einer Beteiligung sei nun ein Schritt gemacht. Eine Reaktion der Förderer hierauf als zweiter Schritt müsse jetzt noch warten. Christoph Fisser relativierte, dass ohnehin nicht viele Filme die Schwelle erreichen würden, die über die Rückzahlung der Förderung hinausgingen. Bettina Reitz hingegen wand ein, dass dieses jedoch ein wichtiges Signal sei. Auch gebe es immer wieder Debütfilme, die erfolgreich seien. Und wenn schon ein Erfolg erzielt würde, werde er in Zukunft auch geteilt. Dass dabei alle Beteiligten etwas erhalten würden, sei dabei „eigentlich selbstverständlich“, so die Fernsehdirektorin des Bayerischen Rundfunks (BR). Matthias von Fintel als maßgeblich an den Verhandlungen beteiligter ver.di Tarifsekretär griff die Aussage von Bettina Reitz auf und bewertete die Kinoerlösbeteiligung als Pioniertat. Seit den 90ern hätte die Haltung bei den Produzenten geherrscht, dass sie als Finanziers alles bezahlen würden und ihnen deswegen auch die gesamten Erlöse zustünden. Nun sei diese Haltung abgelöst durch den Grundkonsens, mit allen am Erfolg Beteiligten zu teilen. Die Position von Schäfer sei auch wegen einer Änderung des Urhebervertragsrechts (aus dem Jahr 2002) nicht haltbar. Nachhaltigkeit sei gerade auch für die Filmschaffenden richtig und eine Investition an der richtigen Stelle. Die Urheberrechtsnovelle habe gelehrt, dass dies funktioniere. Dem hielt Schäfer erneut entgegen, dass die Rückflüsse neuen Investitionen dienen sollen und dass eine vorzeitige Ausschüttung für alte Filme dann bei der Förderung neuer Projekte fehlen würde. Matthias Esche lenkte dann auf das eigentliche Thema der Diskussion zurück und forderte dazu auf, darüber zu sprechen, was am Standort Bayern los sei. Corinna Spies fragte hieraufhin bei Bettina Reitz nach dem Hintergrund eines veröffentlichten Interviews, in dem Frau Reitz stellvertretend für den BR Kürzungen bei der Beteiligung an Kinoproduktionen angekündigt hatte. Bettina Reitz führte hierzu aus, dass sich die öffentlich-rechtlichen Sender aus Kostengründen nicht mehr im bisherigen Ausmaß an Kinoproduktionen beteiligen könnten. Sie hatte damit der Branche einen Hinweis auf die langfristige Planung geben wollen. Ab 2014 werde es schmerzvolle Einschnitte geben, denn es sei dann nicht mehr möglich, kurzfristig Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Budget für Debütfilme sei weiterhin vorhanden. Kein Raum bliebe aber für die bisher überdurchschnittliche Kulturförderung durch den BR. Trotz der Ankündigungen von WDR und Degeto weiterhin die Unterstützung für den Kinofilm zu betreiben, werde es in der Branche spürbare Einschnitte geben. Nach Matthias Esche habe der aufrüttelnde Hilferuf von Bettina Reitz dazu geführt, den Intendanten bewusst zu machen, dass das Kino gefördert werden muss. Die Verantwortlichen wären dazu bewegt worden, sich zur Kulturförderung zu bekennen. Dennoch stehe die Frage im Raum, ob zu viel gefördert werde. Wirtschaftliche Erfolge würden heute mit Produktionen erzielt, die auch international verkauft werden könnten. Als Beispiel nannte er die Bavaria Production Unreasonable Doubt. Esches Berliner Kollege Christoph Fisser bestärkte dies: „In Deutschland wird nicht nur zu viel, sondern auch zu schlampig produziert.“ Es gebe eine Wurschtelei von einem Film zum anderen und ob ein Film Erfolg habe, sei letztlich kaum relevant. „In den USA bist Du, wenn Du zwei Filme an die Wand setzt, kein Produzent mehr.“ Er betonte, dass es wichtig sei, Filme gut auszustatten und die Beteiligten ordentlich zu bezahlen. Er plädierte klar dafür, weniger Filme in guter Qualität zu produzieren, und forderte, dass die Förderung lieber wenige Filme fördern sollte, diese dann aber besser ausstatten sollte. Schafmeister forderte daraufhin von den anwesenden Produzenten: „Ich bin Arbeitnehmer. Ich bin kein Unternehmer. Ich fordere Euch auf loszugehen und erfolgreiche Filme zu machen!“ Wie das gehen könnte erklärte Matthias von Fintel: Nur Qualität führe aus der Kreiseldebatte hinaus. Produkte, die am heimischen Markt erfolgreich seien, überzeugten auch am internationalen Markt. Es müsse auch Ziel der Förderer sein, solche hochwertigen Projekte zu honorieren; durch Förderung, aber auch durch die Ermöglichung einer Erlösbeteiligung. Klaus Schäfer verwies als Antwort auf die großen Erfolge des bayerischen Standorts. München mache 30 % allen Umsatzes im Kinobereich und sogar 50 % im TV. Auch Berlin und NRW seien starke Standorte. Als Förderer käme er drei Aufgaben nach: einer wirtschaftlichen, einer künstlerischen und der Förderung des Nachwuchses. Die Forderungen von Fisser und von Fintel würden in Bayern bereits umgesetzt. Die Länder haben unterschiedliche Förderprinzipien. Bayern fördere weniger Projekte, statte diese aber mit größeren Summen aus. Berlin fördere dagegen mehr Filme, diese jedoch jeweils mit geringeren Summen. Bettina Reitz betonte ebenfalls den Wert der Nachwuchsförderung für den BR. Bayern sei ein enorm attraktiver Standort. Dem Regisseur Marcus H. Rosenmüller müsse man für die Prägung eines eigenen bayerischen Genres gratulieren. Beim Kino müsse man jedoch globaler denken und weg vom regionalen Bezug. Man müsse aufpassen, ob der Markt die Masse der Filmschaffenden regulieren könne. Sie habe den Eindruck, dass in Deutschland zu viel ausgebildet werden würde. Das nahm Christoph Fisser auf und meinte ebenfalls, dass die staatlichen und die privaten Filmhochschulen überfüllt wären. Heinrich Schafmeister ergriff hieraufhin das Wort und warnte, das sei eine gefährliche Diskussion, auf die man sich einlasse. Er sehe bei dieser Diskussion die Gefahr, dass der Staat in Folge auf die Idee kommen könnte, seine qualitativ hochwertigen Schulen zu schließen. Dann blieben nur die privaten Schulen über, die könne man nicht einfach schließen. Als ein Erfolgsrezept nannte Christoph Fisser dann die Möglichkeit am Standort Deutschland gleich englischsprachig zu produzieren. Bei der Produktion „Der Vorleser“ habe man mit einem fast ausschließlich deutschen Team gleich auf englisch gedreht. Das sei momentan der Schlüssel zum finanziellen Erfolg. Am Film müsse verdient werden. Möglicherweise werde irgendwann sogar gleich auf Chinesisch gedreht, sagte er mit einem Schmunzeln. Das Erfordernis der Internationalisierung gelte auch für den Fernsehbereich. Die Zukunft läge in Lizenzproduktionen. Hierdurch könnten die Produzenten selber größeren Einfluss auf die Verwertung nehmen. Gleichzeitig mahnte Fisser jedoch, dass es das Anliegen aller sein müsste, dass die „kleinen“ Produzenten am Markt bestehen können, die würden die Qualität gewährleisten. Als Ergänzung zur Debatte über die Ausbildung stellte Matthias von Fintel fest, dass in der Branche die Weiterbildung und Weiterqualifizierung von Filmschaffenden viel zu gering bewertet werde. Auch das Thema soziale Absicherung sei ein Standortkriterium. Durch den Trend hin zu immer mehr projektbezogener Arbeit sei hier die Politik gefragt. Ein Thema für die ganze Branche sei, dass man die Errungenschaft der Künstlersozialkasse (KSK) sichern würde. Sich ebenfalls als Arbeitnehmervertreter begreifend, mahnte Heinrich Schafmeister, dass sich immer mehr Produktionen aus der Pensionskasse Rundfunk herausstehlen würden. Der Forderung nachzukommen, bei der geregelten Altersversorgung der Beschäftigten nachzuarbeiten, erklärte sich Bettina Reitz spontan auf dem Podium bereit. Sie sagte, die Sender müssten davon ausgehen, dass die Produzenten das hierfür veranschlagte Geld an die Filmschaffenden weitergeben würden. „Dem schafmeisterschen Ausruf: „Ihr seid doch die mächtigen Sender, schreibt es in die Verträge“, applaudierte Matthias Esche. Die Fernsehdirektorin des sagte zu, sie würde sich informieren. Für die Zukunft müssten diese guten Themen gesichert werden. Gleichzeitig befänden sich die öffentlich-rechtlichen Sender in einer Situation, in der sie sich für die hohen Produktionskosten rechtfertigen müssten. Die Transparenz zu der die Sender in der aktuellen Gebührendiskussion aufgefordert seien, würde die Sender hier angreifbar machen. Dem entgegnete Schafmeister: „Transparenz ist gut! Da könnt Ihr als Beispiel voran gehen.“ Fazit der ver.di FilmUnion: Einig war sich das Podium in der Frage, dass mehr gute Filme gemacht werden müssten. Eine Reduzierung der Produktionen macht aus unserer Sicht nur Sinn, wenn das Geld dennoch in der Branche bleibt. Das heißt, dass die Produktionen wieder mehr Geld und dadurch mehr Zeit bekommen müssen. Gute Arbeit braucht ihre Zeit. Immer längere Drehtage und immer geringere personelle Ausstattung gehen zu Lasten der Qualität. Wichtig ist auch der Respekt der Filmschaffenden untereinander. Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist hierbei die vereinbarte Erlösbeteiligung. Hierdurch wird verdeutlicht, dass alle am Film beteiligten zum Gesamtwerk beigetragen haben und dass sie im Erfolgsfall an diesem Erfolg zu beteiligen sind. Die ver.di FilmUnion bedankt sich bei den Diskutanten und der Diskutantin. Ein besonderer Dank gilt der Moderatorin Corinna Spies. Der größte Dank geht jedoch an die Gäste, die der Diskussion einen Rahmen und einen Raum gegeben haben. Ohne Publikum stirbt die Show! Wir freuen uns auf viele gute Kinofilme, Eure Vertreter der ver.di FilmUnion.



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