Film & Fernsehen

Happy End verzockt – die Degeto ist im Sinkflug begriffen

(BFV-Newsletter 11/2011) Genaugenommen begann der Abstieg der Deutschen Gesellschaft für Ton und Film mit ihrem märchenhaften Aufstieg.
Als Jörn Klamroth 2002 als GF der gemeinsamen Filmeinkaufsorganisation berufen wurde, traf er dort in der Degeto auf Jurgan, der den Posten bereits ein Jahr früher angetreten hatte. Schnell wurden die beiden ein unschlagbares Team und überzogen die Filme in der ARD besonders am Freitagabend mit einem Zuckerbäckerguss aller feinster Qualität. Gemeinsam verantworteten sie Heimatfilme wie die Reihen „Die Landärztin“, Schwedenkrimis wie „Irene Huss“ und „Kommissar Wallander“ (1-6), Filme, die in Afrika spielen, Liebesfilme aus Deutschland, Familienfilme aus München usw. Anspruch war in diesen Filmen nur bedingt gewünscht, denn die Zuschauer dankten es auch in der dargebotenen Form mit einer überwältigenden (Quoten-)Treue. Jede Kritik an aufgeblähten Produktionsbudgets und ausgiebigen Reisen des Herrn Jurgan an noch so entlegene Sets - immerhin war er Geschäftsführer der Produktionsfirma dieser Filme, hatte also ein zumindest selbst erklärtes Recht vor Ort nach dem Recht zu sehen - verstummte.

Dass die Intendanten die Degeto-Oberen schalten und walten ließen, beinahe wie sie wollte, war also der guten Quote deren Filmproduktionen geschuldet. Ein Zustand, der mindestens bis 2010 anhielt. Damals ließ der WDR leise Kritik an der Degeto verlauten, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits 3 Millionen Euro mehr von der ARD auszahlen lassen musste. Jörn Klamroth verstarb im März 2011 unerwartet, da zeigte die Quoten vor allem am Freitagabend bereits nach unten. Als aber Jurgan alle Produktionen und jegliche Stoffentwicklung von TV-Filmen bis mindestens 2014 stoppte und einen zusätzlichen Bedarf von 23 Millionen Euro anmeldete, brachen alle Dämme, denn offensichtlich konnte die Degeto trotz Riesenbudget bestehende Verbindlichkeiten (z.B. Ratenzahlungen für vereinbarte Filmprojekte) nicht mehr bedienen. Bei derart schwerwiegenden Verfehlungen war es nur eine Frage der Zeit, bis personelle Konsequenzen gezogen werden mussten.

Und die sehen aus wie folgt: Hans-Wolfgang Jurgan ist ab sofort nicht mehr Geschäftsführer der Degeto Film. Seine sofortige Abberufung gab die ARD-Tochter am 28. November nach einer Gesellschafterversammlung bekannt und zog damit die Konsequenzen aus den "gravierenden organisatorischen Mängeln", welche die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG und die WDR-Revision erkannt hatten.

Als Begründung führen die Gesellschafter, bestehend aus den Landesrundfunkanstalten und deren Werbetöchtern, an, dass für die Gesellschafterversammlung und den Aufsichtsrat der Degeto das notwendige Vertrauensverhältnis zu Jurgan nicht mehr gegeben sei. Die Geschäftsabläufe hätten zu große Mängel aufgewiesen.

Noch schwerwiegender für Jurgan wiegt aber der Vorwurf, seine Berichts- und Informationspflicht gegenüber dem Aufsichtsrat verletzt zu haben. Deshalb wurden neben Jurgans sofortiger Abberufung auch arbeitsrechtliche Untersuchungen beschlossen. Der Aufsichtsrat setzte zudem eine Arbeitsgruppe ein, die die Strukturen der Degeto überprüfen solle. Zur neuen Vorsitzenden des Aufsichtsrats wurde RBB-Intendantin Dagmar Reim gewählt, die sich gegen die gerade erst gewählte Kollegin vom MDR, Karola Wille, durchsetzte. Wille wurde möglicherweise als Kompromiss zur Filmintendantin bestimmt. Erst vor wenigen Tagen war bekanntgeworden, dass die bislang neben Jurgan amtierende Ko-Geschäftsführerin Bettina Reitz möglicherweise von Juni 2012 an zum Bayerischen Rundfunk (BR) zurückkehrt. BR-Intendant Ulrich Wilhelm habe dem Rundfunkrat vorgeschlagen, Reitz als Fernsehdirektorin zu berufen, hatte ein Sendersprecher bestätigt. Reitz war erst im Mai in die Geschäftsführung der Degeto eingestiegen. Zuvor war sie Leiterin des Programmbereichs Spiel-Film-Serie beim BR, ab sofort ist sie alleinige Geschäftsführerin. Nebenamtlicher Degeto-Geschäftsführer ist ARD-Programmdirektor Volker Herres.

Ein Schaden sei der ARD durch die jahrelange Misswirtschaft nicht entstanden, sie will wohl die Summe aufbringen, indem sie über vier Jahre hinweg jährlich ihre Auftragsvergabe um circa sieben Millionen Euro kürzt.

Wie es zu der Fehlplanung gekommen ist, wird nun seit gut zwei Monaten von einer Prüfgruppe unter Vorsitz des Hessischen Rundfunks (HR) untersucht. Auch externe Wirtschaftsprüfer sind dabei. Die Strukturen der Degeto sind dabei allesamt auf dem Prüfstand.


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