Film & Fernsehen

Interview mit dem ver.di-Tarifsekretär Medien zum Tarifergebnis für Filmschaffende

(Berlin, 30. November 2009) Matthias von Fintel, Tarifsekretär Medien beim Bundesvorstand der ver.di antwortet auf Fragen zum aktuellen Tarifabschluß. Künftig gibt es bei Filmproduktionen eine Maximalarbeitszeit von 13 Stunden, die nur in definierten Ausnahmefällen überschritten werden kann.

Red: Der Tarifvertrag soll eine Höchstarbeitszeit festlegen. Diese liegt jetzt bei 13 Stunden. Was verbessert sich dadurch für die Filmschaffenden?
Matthias von Fintel (MvF): Bisher galt am Filmset meistens die grenzenlose Arbeitszeit. Dies stand auch im Zusammenhang mit dem Druck der Auftraggeber an die Produktionsfirmen, immer weniger Drehtage zu planen. Zukünftig ist bereits die Drehzeit so zu planen und rechtzeitig zu beenden, dass für jeden am Drehort die Arbeitszeit von maximal 13 Stunden eingehalten werden kann. Hier sind alle in der Pflicht, vom Produzenten, über die Produktionsleitung bis zum Regisseur und Kameramann, darauf zu achten, dass 13 Stunden nicht überschritten werden. Darüber hinaus sind alle Produktionen verpflichtet, in Zukunft die langen Arbeitszeiten der Filmschaffenden zu erfassen, und jeder Filmschaffende ist berechtigt, sich seine erbrachten Arbeitszeiten mit der monatlichen Abrechnung aushändigen zu lassen. Hier empfiehlt sich, dies zu Beginn einer Produktion zu klären und zur Kontrolle und Übersicht eigene Aufzeichnungen zu machen. Eine weitere Verbesserung ist die definierte Höchstarbeitszeit außerdem deshalb, weil jetzt die kontrollierenden Aufsichtsbehörden eine eindeutige Handlungsgrundlage haben. Und nicht nur, wie in der Vergangenheit, bei der Einhaltung der Mindestruhezeit.

Red: Die gesundheitlichen Belastungen werden bei Filmproduktionen, vor allem bei den Arbeitszeiten, als sehr hoch angesehen. Wo hat der Tarifvertrag Schutzvorkehrungen geregelt?
MvF: Bereits mit dem bisherigen Tarifvertrag konnte die 12. Arbeitsstunde nur mit Zustimmung des Filmschaffenden überschritten werden. Das bleibt auch in Zukunft so. Und dies war in der Vergangenheit schon eine Möglichkeit auf Basis des Tarifvertrages gegen Produktionen mit überzogenen Arbeitszeiten vorzugehen. Außerdem wird die Pause insgesamt auf eine Stunde pro Tag verlängert, wenn die 12 Stunden überschritten werden. Und danach greift die neue Begrenzung mit der Tageshöchstarbeitszeit bis zur 13. Stunde; damit verhindern wir die regelmäßig ausufernden Arbeitszeiten von 14, 15, 16 Stunden und mehr. Zusätzlich wird durch das Zeitkonto für Mehrarbeit bekanntermaßen ja die soziale Absicherung gestärkt. Die Schutzvorkehrungen sind aber nur so gut, wie ihre tatsächliche Anwendung auch eingefordert wird. Hier muss es zu einem Bewusstseinswandel aller Beteiligten kommen. Zu lange Arbeitszeiten sind ungesund, bringen selten bessere Drehergebnisse und leisten dem Trend zu immer weniger Drehtagen Vorschub. Sollte es mit der Durchsetzung der Tarifregelungen nicht funktionieren, ob schon während der Verhandlung oder am Set, kann sich jeder sofort an seine Gewerkschaft wenden.

Red: Immer wieder wird gerne der internationale Vergleich angesprochen, insbesondere England mit einer 12-Stunden-Grenze. Hält unser Tarifvertrag einem Vergleich Stand?
MvF: Im internationalen Vergleich war Deutschland das Land ohne gelebte Arbeitszeitgrenze, und wurde dafür von manchen internationalen Produktionen unrühmlicherweise geschätzt. Ich wiederhole, hier wird es zu einem Bewusstseinswandel kommen müssen. Die Arbeitszeitgrenzen in anderen Ländern werden auch nur mit Nachdruck eingehalten. In Großbritannien beispielsweise gilt zwar die Begrenzung auf 12 Stunden am Tag, aber immer bezogen auf eine 6-Tage-Woche. Eine reguläre 6-Tage-Woche wurde hier auch von den Produzenten gefordert, aber das haben wir erfolgreich abgelehnt. Mit anderen Worten: Ja, wir können uns sehr gut vergleichen und haben teilweise unterschiedliche Regeln.

Red: Für bestimmte Ausnahmen sollen längere tägliche Arbeitszeiten möglich sein? Wie kann das kontrolliert werden?
MvF: Jeder einzelne bestimmt mit und ist in der Pflicht; ver.di unterstützt, klopft der Produktion auf die Finger und ruft bei Regelverstößen auch gerne die Arbeitsschutzbehörde an. So ging es bisher schon, wenn manche Produktionen aus dem Ruder liefen. Das machen wir weiter so. Ganz nebenbei ist das ein guter Grund, ver.di als Filmgewerkschaft beizutreten und sich mit vielen Film- und Fernsehschaffenden im BundesFilmVerband BFV zu organisieren.
Zu den Ausnahmefällen: nur mit den definierten Gründen und auch nur an einzelnen Tagen, und das ist wichtig, auch dann nur mit Zustimmung der Filmschaffenden ist eine Überschreitung der 13 Stunden möglich. Nicht zu vergessen, nach der 13. Stunde sind die Zuschläge bei 100 % und die Ruhezeit bis zum nächsten Arbeitsbeginn muss mindestens 12 Stunden betragen. Es wird also teurer und verschiebt den Drehplan, wenn zu lange gearbeitet wird.

Red: Ein wichtiges Thema für die Filmschaffenden ist die Absicherung im Krankheitsfall. Der Gesetzgeber hat seine Novellierung zum 1.1.2009 korrigiert und nun können die Filmschaffenden wieder zum normalen Beitrag versichert werden mit Krankengeldanspruch ab dem 43. Tag. Wie steht es aber mit der tariflichen Entgeltfortzahlung in den ersten vier Wochen der Beschäftigung?
MvF: Da Filmschaffende meist kürzer als 10 Wochen beschäftigt werden, haben wir eine bedeutsame Klarstellung im Tarifvertrag gefordert und am Ende auch erreicht. Die Entgeltfortzahlung muss immer ab dem ersten Arbeitstag greifen und nicht erst nach vier Wochen. Einerseits verbessert dies unmittelbar den Lohnfortzahlungsanspruch bei Krankheit; nämlich von Beginn an. Außerdem ist gegenüber den Krankenversicherungen klargestellt, dass der Filmschaffende nach dem Tarifvertrag einen sofortigen Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat. Nach dem Gesetz beginnt dieser erst nach vier Wochen. Darum sind irgendwelche Zusatzversicherungen für ein Krankengeld in den ersten vier Wochen einer Beschäftigung überflüssig geworden. Zumindest wenn die Kollegen Gewerkschaftsmitglieder sind und die Produktion ebenfalls Tarifpartner. Für alle anderen besteht hier ein Risiko.

Red: Das klingt sehr akzeptabel. War`s das denn für die Kollegen?
MvF: Nicht ganz, wir haben auch noch die tarifvertragliche Grundlage für die Beiträge an die Pensionskasse Rundfunk verbessert, eine Praktikantenregelung erreicht, damit keine Tätigkeit von professionellen Filmschaffenden ersetzt wird, die Feiertagszuschläge beim versetzten Dreh klargestellt, sowie, last but not least, die Strukturanpassungen einzelner Stabsgagen und die Einführung des Kameraschwenkers mit 1.350 € und Gagenerhöhungen erreicht.

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