Film & Fernsehen

„Im Angesicht des Verbrechens“ geht trotz Typhoon-Insolvenz weiter

Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der von Marc Conrad gegründeten Film- und Fernsehproduktionsfirma Typhoon AG, die unter anderem für den Kinofilm „Freischwimmer“ sowie die TV-Produktionen „Die Bluthochzeit“, „Abschnitt 40“ und „GSG 9 – ihr Einsatz ist ihr Leben“ verantwortlich zeichnete, wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 01.05.2009 eröffnet. Als Insolvenzverwalter wurde der Kölner Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Delhaes bestellt.
Der Jurist und der WDR haben in den vergangenen Tagen eine Einigung über die Fortführung der vom Kölner Sender federführend für die ARD betreuten achtteiligen Serie „Im Angesichts des Verbrechens“ gefunden, so dass die Arbeiten an der Postproduction weiter gehen können. Zu den Details wollten sich kurzfristig weder der WDR noch die Typhoon AG äußern.
Der Dreh der Event-Serie von Dominik Graf war im vergangenen Jahr in die Schlagzeilen geraten, nachdem das Berliner Amt für Arbeitsschutz Lagetsi Mitte August einen nächtlichen Dreh wegen Überschreiten der gesetzlich zulässigen täglichen Arbeitszeit und Nichteinhaltung der Ruhezeiten gestoppt hatte. Obwohl sich das Amt in den folgenden Monaten kooperativ bei der Ausgestaltung der Drehzeiten zeigte, wurden 12 Tage mehr als kalkuliert gedreht, was Kosten in Millionenhöhe verursacht hat.
Um die Verantwortung für das Entstehen der zusätzlichen Tage, in der Graf wesentlich mehr Material gedreht haben soll als es für den Schnitt der einzelnen Episoden geplant war, und die Übernahme der Kosten war es zwischen dem WDR und Marc Conrad zum Streit gekommen – der Sender soll nur bereit gewesen sein, die Hälfte der Summe zu übernehmen. Um die eigene berufliche Existenz nicht zu gefährden, zog der Produzent die Notbremse und beantragte Anfang 2009 die Insolvenz.
Die Verhandlungen zwischen Sender und Produzent zogen sich hin – nicht zuletzt weil allen klar ist, dass es um eine grundsätzliche Weichenstellung im Verhältnis von Sendern, Produzenten und Regisseuren und das Ende der Buddy-Mentalität, mit der beim Dreh fiktionaler Programme einseitig auf künstlerische Visionen, aber nicht aufs Budget geschaut wurde.
Jahrzehntelang hat das System hervorragend funktioniert. Budgetüberschreitungen der großen Drei des Fernsehmehrteilers wurden gedeckt. Mal wurde bei den teuren Events ein Teil mehr geschnitten, nicht nur, um das Material zu verarbeiten, sondern um rein rechnerisch sauber dem Produzenten einen Teil der entstandenen Mehrkosten zu erstatten. Ein anderes Mal einigte man sich auf eine Umverteilung der Rechte und beließ zum Beispiel dem Produzenten die Erlöse aus der Verwertung im Ausland.
Solche Zitterpartien können sich auf die Dauer nur große Firmen leisten, manch kleines Unternehmen ist daran gescheitert. Doch auch die Starken der Branche zogen Konsequenzen und setzen als wirtschaftlich Verantwortliche einer Produktion Grenzen. Oft sind die Produzenten selbst vor Ort. Oder sie delegieren die Verantwortung an durchsetzungsfähige Producer, Produktionsleiter und verantwortungsvolle Head of Departments, die rechtzeitig vor Budgetüberschreitungen warnen.
Das funktioniert und bei den Regisseuren selbst setzte ein Umdenken ein. Die Mehrkosten bei Heinrich Breloers Amphibienfilm „Buddenbrooks“ blieben im vertretbaren Rahmen. Dieter Wedel ist bei seinem aktuellen Dreh des Zweiteilers „Mit Glanz und Gloria“, der im Januar 2010 in der ARD laufen soll, in Drehplan und Budget.
Zuvor reichte oft ein Anruf eines Regisseurs bei einem Intendanten, um künstlerische Visionen durchzusetzen, die zuvor nicht kalkuliert waren. Gegen diese Kumpanei zwischen Sendern und Regisseuren hatten die Produzenten keine Chance. Sie haben sie geduldet, weil zu den ungeschriebenen Termes of Trade gehörte, dass die Mehrkosten übernommen wurden. Die Zeiten, in denen das Portemonnaie so locker saß, scheinen jedoch angesichts des prognostizierten Rückgangs bei den Gebühreneinnahmen der öffentlich-rechtlichen Anstalten und des Rückgangs der Werbeeinnahmen bei den privaten Sendern vorbei zu sein.


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