ver.di fordert Kurskorrektur bei der Filmförderung - Filmschaffende stärker in den Fokus rücken

(ver.di FilmUnion-Newsletter 08/2012) „Bei der gesetzlichen Ausgestaltung der Filmförderung müssen endlich die Interessen der Filmschaffenden stärker berücksichtigt werden“, forderte Frank Werneke, stellvertretender Vorsitzender von ver.di, anlässlich des Endes der Anhörungsfrist für die Novelle des Filmförderungsgesetzes (FFG).
Der vom Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM), Bernd Neumann, vorgelegte Referentenentwurf beschneide verschiedene Förderbereiche und vernachlässige überfällige Verbesserungen für die Filmschaffenden. Das FFG regelt die finanzielle Unterstützung verschiedener Arten von Filmproduktionen und filmwirtschaftlichen Bereichen.

So dürfe die Filmförderung nicht nur der Filmwirtschaft dienen, sondern müsse sich endlich auch den Belangen der Beschäftigten verpflichtet fühlen. „Es ist vollkommen unverständlich, dass der vorliegende Gesetzentwurf noch immer die Frage ignoriert, ob eine geförderte Filmproduktion die branchenüblichen und tarifvertraglichen Sozialstandards einhält“, stellte Werneke fest. „Dieses Vorgehen ist unfair gegenüber den Filmschaffenden und wettbewerbsverzerrend für alle jene Produktionsfirmen, die tarifgebunden arbeiten.“

Zusammen mit der Nichtberücksichtigung der notwendigen Honorierung von Urheberinnen und Urhebern erfolgreicher Filme und der Streichung der Weiterbildungsförderung drifte das FFG mehr und mehr zu einer reinen Finanzförderung ab. Hier sei eine Kurskorrektur nötig, um die Filmschaffenden und ihre Leistungen wieder in den Blick der Förderung zu bringen.

Es folgt die vollständige Stellungnahme von ver.di zum BKM-Referentenentwurf zum FFG 2014 – Novellierung des Filmförderungsgesetzes:

Vorbemerkung:

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di bedankt sich für die Gelegenheit, zu dem vom Bundesbeauftragten für Kultur und Medien vorgelegten Referentenentwurf zur Novelle der Filmförderung im Rahmen der Branchenanhörung Stellung nehmen zu können. Mit dieser Stellungnahme stellen wir für ver.di mit den folgenden Punkten wesentliche im Referentenentwurf bisher nicht vorgesehene Änderungsbedarfe bzw. Klarstellungen zur Begründung des Referentenentwurfs dar und weisen auf die Rücknahme vorgesehener Änderungen hinsichtlich §§ 59 und 68 FFG hin.

1. Fördersystem
1.1. Berücksichtigung von tarifvertraglichen Urhebervergütungen als vorabzugsfähige Kosten

Die FFA soll bei Filmproduktionen eine zusätzliche Kostenposition als Vorabzug vor Erstattung der Fördermittel, also bei Rückzahlung des Förderdarlehens nach § 39 FFG, anerkennen. Die Produzentenallianz und ver.di stehen diesbezüglich in Verhandlungen über eine tarifvertragliche Vergütungsregel auf Basis von § 32 UrhG, die Filmurheberinnen und -urhebern sowie Filmkünstlerinnen und -künstlern eine angemessene zusätzliche Vergütung für die Nutzung ihrer Leistungen gewähren soll. Nach derzeitigem Verhandlungstand sollen künftig Filmurheberinnen und -urheber sowie Filmkünstlerinnen und -künstler ab einem bestimmten Auswertungserfolg an allen Erlösen beteiligt werden. Das bedeutet, dass im Laufe der Rückzahlung von Fördermitteln diese Erlösbeteiligungen als abzugsfähige Kosten anerkannt werden sollen.

Eine solche im § 39 FFG gesetzlich vorgesehene Anerkennung der Vorabzugsfähigkeit würde zwar zu einer Verzögerung der Rückführung, teils auch zu einer gewissen Reduktion der Rückführungsquote in der FFA führen. Die Anerkennung und Regelung von Beteiligungsansprüchen der Filmurheberinnen und -urheber sowie Filmkünstlerinnen und -künstler geschieht aber auf der Grundlage eines gesetzgeberischen Auftrages, den der Bundestag im Jahr 2002 mit der Änderung des Urhebervertragsrechts formuliert hat. Eine angemessene Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg des Filmwerks ist seither Pflicht der Produktionsunternehmen. ver.di und die Produzentenallianz sind sich darüber einig, dass es sich bei der geplanten Erlösbeteiligung letztlich um die rechtssichere Ausgestaltung dieser gesetzlichen Zahlungspflicht handelt. Entsprechende Beteiligungsansprüche, die aus den der Produzentin oder dem Produzenten zufließenden Bruttoerlösen zu finanzieren sind, sollen deshalb bei der Ermittlung der zurückzuführenden Mittel in Abzug gebracht werden können.

Die Filmförderung hat im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben die Belange der Produzentinnen und Produzenten genauso wie die der Filmschaffenden zu berücksichtigen. ver.di ist deshalb der Auffassung, dass die Filmförderung insofern auch einen gesetzlich begründeten Anspruch auf erfolgsabhängige Erlösbeteiligungen zu berücksichtigen hat. Solche Erlösbeteiligungen aber können weder allein der Produzentin oder dem Produzenten überlassen noch den Filmurheberinnen und -urhebern sowie Filmkünstlerinnen und -künstlern vorenthalten werden.

1.2. Berücksichtigung von sozialen Mindeststandards bei den Förderkriterien

Noch immer hat die Berücksichtigung sozialer Mindeststandards bei den Förderkriterien keinen Eingang in das FFG gefunden. ver.di schlägt deshalb vor, dass die in der Filmwirtschaft vereinbarten Sozialstandards eine Berücksichtigung bei den allgemeinen Förderungsvoraussetzungen in § 15 finden, etwa als Ergänzung § 15 Abs. 1 Ziffer 1a:
„der Hersteller darlegt, ob für die Filmproduktion ein Tarifvertrag unmittelbar gilt und zugleich die Anwendung der darin enthaltenen Mindestregelungen gegenüber den Beschäftigten gewährleistet.“
Damit soll einer Marktverzerrung bei der Förderung von tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Produktionen entgegengewirkt werden. Denn erfahrungsgemäß wird häufig auch bei nicht tarifgebunden Herstellern mit den tarifvertraglich vereinbarten Gagen und Beschäftigungsbedingungen kalkuliert, ohne individualvertraglich dementsprechende Mindestansprüche in jedem Fall zu gewähren. Insbesondere bei Kinofilmproduktionen wird zwar bei der Gagenkalkulation die tarifvertragliche Gage überschritten, aber die Arbeitszeitregelungen, etwa bei der Abgeltung von Mehrarbeit über Zeitkonten, nicht eingehalten. Auch für diesen Fall kann eine Marktverzerrung entstehen und vor allem haben Filmschaffende Probleme die zustehenden Ansprüche auf sozialversicherungspflichtige Beschäftigungstage in vollem Maße zu erreichen.

1.3. Aufteilung der Mittel – Kürzung der Projektfilmförderung

Nach dem Referentenentwurf soll bei der Aufteilung der Mittel nach § 68 FFG zugunsten der Absatzförderung allein die Ausstattung der Projektfilmförderung prozentual reduziert werden. Wenigstens eine Aufteilung der Umverteilung auf den wesentlich größeren Etat der Referenzfilmförderung oder besser noch eine Umverteilung aus dem Anteil der Referenzfilmförderung ist der richtige Weg. Der Anteil in § 68, Abs. 1 Ziff. 2 soll weiterhin betragen:
„8,5 vom Hundert für die Projektfilmförderung (§ 32)“
Der Etat der Referenzfilmförderung ist größer und würde anteilig weniger stark eingeschränkt, wenn aus ihm heraus umverteilt würde. Insofern kommt diese im Referentenentwurf vorgesehene Umverteilung einseitig der Referenzfilmförderung zugute und wirkt sich stark zulasten der Projektfilmförderung aus. Das ist ein absolut falsches Signal.

2. Organisation der FFA
2.1. Zusammensetzung des Verwaltungsrates

Bereits bei der letzten FFG-Novelle wurde versäumt, der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft einen vollen (ungeteilten) Sitz im Verwaltungsrat der FFA einzuräumen – obwohl die Zahl der Verwaltungsratssitze seinerzeit aufgestockt wurde. Als gesellschaftlich relevante Arbeitnehmerorganisation mit über zwei Millionen Mitgliedern, die damit auch Interessen von Abgabeleistern vertritt, und vor allem als umfassende Interessenvertretung von Beschäftigten und als Tarifpartner aller vom FFG erfassten Wirtschaftsbereiche (Kinoproduktion, Fernsehen, Filmtechnische Betriebe, Postproduktion und Kinowirtschaft) ist es jedoch unverzichtbar, dass ver.di künftig mit einem vollen Sitz im FFA-Verwaltungsrat vertreten ist.

Um eine Vergrößerung des Verwaltungsrates zu vermeiden, hat sich ver.di auch eine Reduzierung der Gesamtzahl der Sitze vorgestellt, ohne dass es zu einer qualitativen Verschlechterung der Repräsentanz kommt. So sollte jedenfalls der Verband Deutscher Filmproduzenten – angemessen zu seiner Mitgliederzahl – auf einen Sitz reduziert werden. Dies findet sich als Vorschlag jetzt auch im Referentenentwurf wieder.

Allerdings wird dieser freigewordene Sitz nun für die Deutsche Filmakademie vorgesehen, die nach Angaben des Referentenentwurfs jedenfalls weniger Filmschaffende vertritt als ver.di. Zudem ist die Deutsche Filmakademie keine offene Mitgliederorganisation, sondern kürt ihre Mitglieder. Es ist nicht nachvollziehbar, warum eine bisher nicht im Verwaltungsrat vorgesehene Organisation, die weniger Mitglieder der Zahl nach und in weniger Bereichen der Filmwirtschaft als ver.di vertritt, nun einen vollen Sitz erhält, für ver.di jedoch nach wie nur ein geteilter Sitz vorgesehen wird.

Jedenfalls ist vollkommen unrichtig (im presserechtlichen Sinne könnte dies sicherlich auch eine Gegendarstellung begründen), dass der Referentenentwurf auf Seite 4 die Behauptung aufstellt, „durch die Aufnahme der Filmakademie sind nunmehr auch die Interessen bisher noch nicht vertretener Sparten kreativer Filmschaffender, etwa jener der Maskenbildner, Cutter, Tonleute etc., im Verwaltungsrat vertreten.“ Dies entspricht 4 nicht den Tatsachen, da ver.di bereits die Interessen auch dieser Berufsgruppen und sogar noch weit mehr Berufsgruppen der gesamten Filmwirtschaft im Verwaltungsrat vertritt. Teilweise ist ver.di mit Berufsverbänden von in der Begründung explizit genannten Gruppen sogar durch Kooperationsvereinbarungen doppelt durch eigene Mitglieder und Mitglieder der kooperierenden Verbände als Interessenvertretung legitimiert.

Nur wird für ver.di, anders als nunmehr für die Deutsche Filmakademie, erneut nach dem Referentenentwurf nur ein geteilter Sitz vorgesehen. Nach den Vorschlägen aus dem Referentenentwurf wäre stattdessen der ungeteilte Sitz für ver.di und die Sitzteilung für den Deutschen Journalisten Verband unverändert aber nun gemeinsam mit der Deutschen Filmakademie vorzusehen. In § 6 Abs. 1 FFG soll es anders als im Referentenentwurf dann heißen:
„16. ein Mitglied benannt von der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di"

2.2. Präsidium

Begrüßenswert ist die Erweiterung des Präsidiums um einen weiteren Sitz, der „aus dem Kreis der Kreativen“ erfolgen soll. Allerdings wird bei den Organisationen, die in diesem Sinne Kreative vertreten und zum Kreis der Stimmberechtigten bei der Wahl dieses zusätzlichen Präsidiumsmitgliedes zählen, ver.di als weitaus größte der im Verwaltungsrat sitzenden Filmschaffenden-Organisationen nicht vorgesehen. Der § 5 Abs. 2 FFG ist deshalb wie folgt zu ergänzen:
„… Ein weiteres Mitglied wählt der Verwaltungsrat mit der Mehrheit der Stimmen aus dem Kreis der von der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm e.V., dem Bundesverband der Fernseh- und Filmregisseure in Deutschland e.V., der AG Kurzfilm e.V., und dem dem Verband Deutscher Drehbuchautoren e.V und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di für den Verwaltungsrat benannten Vertreterinnen und Vertreter auf gemeinsamen Vorschlag dieser Institutionen. …“

2.3. Vergabekommission

Die Mitglieder der Vergabekommission sollten zukünftig als Gesamtgremium gewählt und nicht unmittelbar durch die in § 8 FFG genannten Organisationen nominiert werden. Dabei soll den genannten Organisationen wie bisher ein Vorschlagsrecht verbleiben. Die endgültige Nominierung soll aber durch eine Wahl des Verwaltungsrates erfolgen. Die bisherige Nominierung ohne weitergehende Legitimation über die nominierende Organisation hinaus genügt jedenfalls den demokratischen Grundsätzen nicht ausreichend.

Für beide Gremien ist bisher die empfohlene gleichmäßige Berücksichtigung der Geschlechter nicht umgesetzt worden. Eine nachdrückliche gesetzliche Regelung ist nötig, um dieser Empfehlung tatsächliche Geltung zu verschaffen.

3. Sonstige Fördermaßnahmen – Weiterbildungsförderung

Es besteht durchaus ein Bedarf, die Weiterbildungsförderung zu erhalten und gar zu stärken. Dagegen sieht der Referentenentwurf eine ersatzlose Streichung des § 59 FFG vor. Damit wird ein wichtiges Förderinstrument beendet, das schon angesichts der in der Begründung genannten Anzahl an Projekten und Gesamtkosten durchaus nennenswert ist. Ein Förderinstrument, dass der Verbesserung der Beschäftigungssituation und den in der Filmwirtschaft Beschäftigten zu gute kommen soll, würde gänzlich entfallen. Dies entspricht einerseits nicht dem § 2 Abs. 1 Ziff. 2 FFG, andererseits würde ein Förderinstrument, das in dem dort genannten Sinne wirken soll, einfach gestrichen.
Angesichts der Debatte in der gesamten Wirtschaft um den aufziehenden Fachkräftemangel und die ständigen Weiterbildungsnotwendigkeiten von Fachkräften ist dies das vollkommen falsche und für die Filmwirtschaft nicht hinnehmbare Signal.

Bei der Weiterbildungsförderung geht es darum, die Qualifikationen der Beschäftigten in der Filmwirtschaft nicht nur organisch durch „learning by doing“, sondern systematisch durch qualitative Weiterbildungen von in der Filmbranche bereits tätigen Beschäftigten zu verbessern. Dies soll auch das Potenzial der in Deutschland ansässigen Filmschaffenden im internationalen Wettbewerb der Kinoproduktionen verbessern.

Dabei sollte etwa in der Fortbildung von Filmschaffenden in der dazugehörigen Richtlinie darauf geachtet werden, dass im Einzelfall eine Fortbildung hinein in den Bereich der Kinofilmproduktion auch denjenigen zugänglich gemacht wird, die bisher noch keine Kinofilmerfahrung haben.

Desweiteren ist durch die Digitalisierung der Fortbestand von zahlreichen Beschäftigungen mit Tätigkeiten in der Filmkopienproduktion und der Filmvorführung gefährdet. Die Entwicklung und damit auch Förderung von Weiterbildungsangeboten für Beschäftigte aus diesen Bereichen hat es bisher nicht bzw. nicht in nennenswertem Umfang gegeben. Dies aber ist nötig, um Know-how und Beschäftigte in den Postproduktions- und Kinobetrieben weiter zu beschäftigen. Zur Finanzierung der verstärkten Weiterbildungsförderung könnten Mittel der Innovationsförderung umgewidmet werden, die nach Vorschlag des Referentenentwurfs ja nun gänzlich gestrichen werden soll. Einer Umwidmung dieser Mittel steht also nichts im Wege.

Der § 59 FFG darf jedenfalls nicht gestrichen werden und es wird, anders als in der Begründung formuliert, durch die Streichung der Weiterbildungsförderung keine Verbesserung der Struktur der deutschen Filmwirtschaft erreicht, sondern das gegenteilige Ziel verfolgt.

4. Verbesserung der Beschäftigungssituation als allgemeine Aufgabe der FFA

Das FFG, das als Aufgabe der FFA vorsieht, die Struktur der deutschen Filmwirtschaft zu verbessern, kann die Struktur der Beschäftigung in der Filmwirtschaft nicht ausblenden. Zudem findet die Filmherstellung in einem internationalen Markt statt (das FFG regelt ebenfalls internationale Koproduktionen). Die nach dem FFG eingesetzten Mittel sollten deshalb im Sinne eines Standortfaktors auch dazu dienen, die Beschäftigungsstruktur und -situation der in Deutschland ansässigen professionellen Filmschaffenden zu fördern. ver.di schlägt deshalb vor, in § 1 Abs. 1 Satz 1 sowie § 2 Abs. 1 Satz 1 FFG jeweils zu ergänzen:
„…der deutschen Filmwirtschaft, ihrer Beschäftigungssituation…“



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