"Engagiert euch für das, was euch wichtig ist!" Interview mit Claudia Rhein und Henning Brümmer, Vorstandsmitglieder der ver.di FilmUnion

(ver.di FilmUnion-Newsletter 07/2012) Seit Anfang des Jahres ist es spruchreif, der FilmVerband in ver.di heißt nun schlicht: ver.di FilmUnion. Der Name ist neu, der Inhalt nicht. Wir sprechen mit Claudia Rhein und Henning Brümmer, Mitglieder des Vorstands der ver.di FilmUnion über das bisher Erreichte und über das, was in der Zukunft unbedingt getan werden muss.
Claudia, Henning, was macht ihr beruflich?

Claudia Rhein: Ich bin Produktionsassistentin an der Deutschen Film- und Fernsehakademie (dffb) in Berlin. Dort habe ich vor allem mit dem Filmnachwuchs zu tun, kenne aber auch die Situation der auf Produktionsdauer Beschäftigten.

Henning Brümmer: Ich bin freier Kameramann und Lichtdesigner. Ich arbeite auf der einen Seite im Bereich Dokumentarfilm und Spielfilm als klassischer Director of Photography (DoP), also Bildgestalter, zusätzlich bin ich auch im Fernsehbereich als lichtsetzender Kameramann für Multikameraproduktionen beschäftigt. Durch meine unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche komme ich mit vielen Kollegen aus den verschiedenen Bereichen in Berührung.

Henning, du bist künstlerisch tätig und dennoch gewerkschaftlich organisiert?

Henning Brümmer: Richtig. Ich war mehrere Jahre lang ein stilles Mitglied. Doch irgendwann hat mich meine Gewerkschaftssekretärin angerufen und mich zur nächsten Sitzung eingeladen. Dort trafen viele neue Gesichter aufeinander, Typen, die sich auf Anhieb sympathisch waren und ähnliche Hintergründe hatten. Daraus ist der jetzige Vorstand der FilmUnion Berlin entstanden. Eine heterogene Mischung von jungen aktiven Filmemachern, viele von ihnen freiberuflich, wie ich.

Was genau kann die ver.di FilmUnioni einem Mitglied aus dem Film- oder Fernsehbereich bieten?

Claudia Rhein: Ein Medienschaffender in der ver.di FilmUnion kommt in den Genuss aller Vorteile, die eine Gewerkschaft mit über 2 Millionen Mitgliedern zu bieten hat: Rechtsberatung und -schutz, Fortbildungen, Reisen. Aber vor allem: Teil einer Gemeinschaft von hochengagierten Menschen zu sein, die sozialpolitische Ziele gemeinsam umsetzt, ist für mich besonders motivierend. Als Betriebsrätin der dffb habe ich ver.di zudem als sehr hilfreich auch in der Beratung, Schulung und Betreuung der Arbeit von Betriebsräten kennengelernt.

Henning Brümmer: Die Gewerkschaft vertritt zusätzlich einen gerade auch in unserer Branche zu selten gebrauchten Begriff: die Solidarität. Ein Gewerk alleine, eine Sparte alleine kann nichts ändern. Daher finde ich es vor allem selbstverständlich, Mitglied einer Gewerkschaft zu sein, die spartenübergreifend operiert. Es ist wichtig, dass viele Gewerke zusammengeschlossen sind, besonders wenn man bedenkt, dass sich in unsere Gesellschaft viele Menschen hauptsächlich für ihre eigenen Belange einsetzen. Zusätzlich bin ich noch Mitglied im Berufsverband Kinematografie (BVK).

Wie entscheidet ihr, für welche Themen ihr euch in der FilmUnion engagiert?

Claudia Rhein: Viele von uns im Vorstand sind freie Filmschaffende und daher sehr nah dran an den Problemen der Branche. Die wissen also, was sich ändern muss. So kämpfen wir seit längerem für einen verbesserten Zugang zum Arbeitslosengeld I (ALG I). Denn obwohl sie während ihrer Beschäftigung oft hohe Beiträge in die Arbeitslosenversicherung zahlen, haben viele der auf Produktionsdauer Beschäftigten keinen Anspruch auf ALG I und rutschen oft gleich in den Bezug von ALG II hinein. Eine Thematik, die im Übrigen in Zukunft immer mehr Arbeitnehmer betreffen wird, da unbefristete Beschäftigungsverhältnisse zunehmend durch befristete Jobs ersetzt werden.

Henning Brümmer: „6 statt 12“, die von Claudia beschriebene Regelung, ist übrigens ein großer Erfolg der FilmUnion. Das betrifft ihr Zustandekommen 2009, genauso wie auch ihre Neuregelung, die jetzt im Sommer ansteht, und die von ver.di vehement eingefordert wurde.

Wo wir gerade bei den Erfolgen sind...

Henning Brümmer: ...da gäbe es einige zu nennen: erfolgreich gestaltete Tarifverhandlungen beispielsweise, ob es sich dabei um den Rahmentarifvertrag oder spezielle Verträge für ein Gewerke handelt. Denn beinahe überall, wo es etwas im Interesse der Filmschaffenden zu verhandeln gab und gibt, ist ver.di als Verhandlungsführer dabei. Auf dem Gebiet der Höchstarbeitszeit haben wir es immerhin zum ersten Mal geschafft, dass in einem Tarifvertrag der Film- und Fernsehschaffende (FFS) eine Obergrenze genannt wird, die aber mit 13 Stunden Schichten und einer gleichzeitigen umstrittenen Arbeitsbereitschaft noch lange nicht das Ende der Verhandlungsfahnenstange ist. Die Einführung von Zeitkonten durch viele Produktionsfirmen betrachten wir ebenfalls als Erfolg.

Trotz dieser Leistungen sind viele Filmschaffende immer noch überrascht, wenn sie hören, dass es auch eine „Filmgewerkschaft“ gibt. Wie werdet ihr für eine größere Sichtbarkeit sorgen?

Henning Brümmer: Wir erarbeiten gerade einen komplett neuen Internetauftritt für die FilmUnion, um eine größere Öffentlichkeit für uns herzustellen. Auf dieser Seite werden die aktuellen Tarife für die FFS und für den Verband technischer Betriebe für Film und Fernsehen (VTFF) stehen, Tarif- und Brancheninfos, unser Newsletter, die Social Spots, die wir gedreht haben. Mitglieder und Interessenten finden darüber hinaus Informationen zu Projekten und Kampagnen, z.B. zu unseren Setbesuchen, bei denen wir Filmschaffende über unsere Arbeit informieren, zu der Lobbyarbeit zum Filmfördergesetz (FFG), zu den neusten Entwicklungen zu „6 statt 12“; dazu werden Termine und Veranstaltungen veröffentlicht, und es wird ein Forum geben, auf dem sich dann allerdings nur Mitglieder austauschen können. Die Seite soll noch diesen Sommer kommen.

Ein wichtiges Instrument einer Gewerkschaft im Arbeitskampf ist der Streik. Wäre ein Streik auch denkbar für die FilmUnion?

Henning Brümmer: Anders als bei Festangestellten einer Firma birgt ein Streik bei Freiberuflern einige Risiken. Denn die Gefahr ist groß, dass sich ein Selbstständiger mit einem Streik selbst um sein aktuelles Projekt bringt. Oft ist er ja schnell ersetzbar, und dass er es sich mit einem Streik mit seinem aktuellen Auftraggeber bis in alle Zukunft verdirbt, ist auch möglich.

Claudia Rhein: Indem einige Mitglieder des Bundesverbands Fim- und Fernsehschauspieler (BFFS) während der Dreharbeiten ihre Mittagspausen am Set verlängerten, hat dieser Verband letztes Jahr etwas ähnliches wie einen Streik als Druckmittel versucht. Es ging dabei zwar nur um 15 Minuten, aber dennoch sind die Produzenten in helle Aufregung geraten. Ihre Phantasie war genügend angeregt, sie konnten sich leicht vorstellen, was für finanzielle Konsequenzen ein Streik von einem oder mehreren Tagen haben könnte.

Henning Brümmer: Im Moment klären die ver.di Hauptamtlichen eine generelle Streikbereitschaft hinsichtlich von konkreten Tarifzielen für die „normale Tarifrunde“. Außerdem werden Streikmaßnahmen bei ungebundenen Unternehmen geprüft. Dazu beschäftigen wir uns aktuell auch um den „Code of Practise“ innerhalb der Vereinbarungen von Gewerkschaft - Produzenten - Sendern.

Was bedeutet das?

Henning Brümmer: Wir fordern, dass „Freie“ bzw. auf Produktionsdauer Beschäftigte so viel verdienen sollen wie die festangestellt Beschäftigten der Sender. Oder kurz gesagt: gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit, also: „Equal Pay“ und „Equal Treatment“. Der “Code of Practise” bezieht sich auf alle Arbeitsbereiche, also auch auf Auslandseinsätze, Spesen, Zuschläge, Pensionskasse etc. Die FilmUnion plant, mit der Produzenten Allianz und den Sendern in Gespräche, um auf Missstände aufmerksam zu machen, die sowohl fiktionale Produktionen betreffen, als auch Produktionen von Fernsehdokumentationen und -beiträgen. Für alle unsere Ziele und Aufgaben brauchen wir aber eine breite Basis, mit der wir Forderungen an Produzenten und Sender stellen können.

Wie geht ihr bei der Umsetzung des „Codes of Practise“ konkret vor?

Claudia Rhein: Der Bundesvorstand setzt eine Arbeitsgruppe ein, die eine 10-Gebote-Tafel der Beschäftigung von „Freien“ erarbeitet. Die Regeln müssen in Zukunft eingehalten werden, zumindest von ARD/ZDF. Im kommenden Jahr werden dann größere Aktionen im Rahmen der GEZ-Haushaltsabgabe stattfinden. Das Ziel ist, bei den Sendern ein Bewusstsein zu schaffen, dass es so nicht weitergehen kann. Wir müssen sie zwingen zu reagieren. „Haushalte finanzieren massenhaft Dumping-Löhne und einzelne Millionäre“ – die Schlagzeile will wohl keiner lesen. Im Juni sollen die zehn Gebote fertig sein.

Ihr führt aber auch Aktivitäten anderer Art durch, z.B. auf der Berlinale. Wird es die auch weiterhin geben?

Claudia Rhein: Unsere Veranstaltungen, wie das Berlinale-Frühstück am ersten Samstag des Festivals, wie auch die Diskussionsveranstaltung einen Tag später, am Sonntagmorgen, besitzen ja fast schon Tradition. Natürlich wird es beide „Events“ weiterhin geben, denn sie sind gut besucht, und besonders das Panel am Sonntag bietet durch die regelmäßig hochkarätig besetzte Talkrunde die perfekte Gelegenheit, sich über neuste Entwicklungen bei film- und fernsehrelevanten Themen zu informieren - und danach mit Gleichgesinnten auszutauschen. Eine weitere regelmäßige Veranstaltung ist die Verleihung des ver.di-Fernsehpreises, die Dank unseres Engagements dieses Jahr zum ersten Mal als festliche Abendveranstaltung stattfinden wird.

Henning Brümmer: Ich möchte allen Kollegen da draußen noch Folgendes mitgeben: Ich kann als Mitglied der Gewerkschaft nur das von ihr verlangen, was ich auch selber bereit bin zu liefern. Engagiert euch also zu möglichst Vielen für das, was euch wichtig ist. Dann werden wir ein ernst zu nehmender Verhandlungspartner.

Claudia Rhein, Henning Brümmer, wir danken euch für das Gespräch.

Christoph Brandl



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