Film & Fernsehen

Neumann stößt Diskussion um Digitalisierung der Kinos neu an

(BFV-Newsletter 05/2010) Die öffentliche Zustimmung aus der Filmbranche war groß. Doch das Digitalisierungsmodell, das Bernd Neumann am 6. Mai vor der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vorgestellt hat, könnte sich bald als Schwarzer Tag für den deutschen und europäischen Film erweisen.
Denn 20% der Kinos könnten gezwungen sein zu schließen, Hollywood dominiert in Multiplexen endgültig den Spielplan und die Verleiher als große Nutznießer der Digitalisierung könnten um ihren versprochenen Beitrag zur Neuausstattung der Häuser herumkommen. Nach dem Scheitern der flächendeckenden Modelle für die Umrüstung aller Kinos, bei denen Kulturstaatsminister Bernd Neumann plötzlich europarechtliche Bedenken entdeckte, wurde von ihm ein Programm für die Digitalisierung von rund 1200 umsatzschwachen Leinwänden vorgestellt. Es ist Teil eines Zweisäulen-Modells, mit dem 3700 Leinwände bundesweit digitalisiert werden sollen. Zu Recht fragte die filmpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Angelika Krüger-Leißner, in ihrer Stellungnahme, warum mehr als 1000 Leinwände – also rund 1/5 des Bestands – ausgeschlossen werden. Ein kleiner Flächenbrand!!! Viele Kinos scheitern an der Einstiegshürde von 8000 Zuschauern je Leinwand im Jahr, die von den Ländern vorgegeben wurden.

Für den Bund fallen alle Kinos unter den Tisch, die keine 40.000 Euro Mindestumsatz je Leinwand erreichen. Was sogar mehr als 8.000 verkaufter Tickets entsprechen könnte. Die Obergrenze liegt bei 180.000 Euro. Wenn Häuser mehr einspielen, fallen sie aus der ersten Säule heraus. Gefördert werden – da sind sich Bund und Länder einig - nur Kinos mit bis zu sechs Sälen. Ob die kleineren Häuser der Multiplexketten unterstützt oder ausgeschlossen werden, ist noch in der Diskussion. Noch nicht entschieden ist auch, ob in Anlehnung an die Filmförderung die staatliche Förderung 50% der Investitionssumme von 77.000 Euro nicht überschreiten darf. Das entspräche bei 77.000 Euro – gefördert wird nur das Equipment – 38.500 Euro. Neumann will sich bei den umsatzschwachen Kinos mit 25% an den Kosten beteiligen, was 19.000 Euro entspricht. Die Summe kann um 5% aufgestockt werden, wenn das Haus in einem Ort mit weniger als 20.000 Einwohnern liegt, es mit Kinoprogrammpreisen ausgezeichnet wurde oder mehr als 50% deutsche und europäische Filme spielt. Die Länder wollen bis 18.000 Euro je Haus geben. Damit wäre die Hälfte der benötigten Summe fast beisammen. Außerdem werden Mittel aus dem Haushalt der FFA fließen - bei einer Limitierung der staatlichen Förderung auf 50% wohl nur ein geringer Betrag. Wird die Grenze nicht eingezogen, könnte der FFA-Beitrag deutlich höher ausfallen. Denn eingeplant sind über fünf Jahre 10 bis 12 Mio. Euro aus ihrem Haushalt – allerdings wohl auch für die Leinwände mit hohen Umsätzen. Damit würden aus ihrem Haushalt mehr als die bislang als Höchstgrenze veranschlagten 40 Mio. Euro fließen. Alle weiteren Entscheidungen sind abhängig von der Haltung der Verleiher. Als große Nutznießer der Digitalisierung hatten sie sich bisher bereit erklärt, die Hälfte der Kosten zu tragen. Das waren 154 Mio. bei bundesweiten Gesamtkosten von 308 Mio. Euro. Nach dem Scheitern eines Digitalisierungsmodells in Frankreich zogen sie ihre Zusage zurück. Sie seien noch immer bereit zu ihrer Verpflichtung zu stehen, erklärte ihr Verbands-Geschäftsführer Johannes Klingsporn am 6. Mai vor Abgeordneten und Branchenvertretern. Zunächst müsse die zweite Säule des neuen Digitalisierungsprogramms aber von der EU-Kommission genehmigt werden. Damit rechnet er in diesem Monat. Wollen die Verleiher bei ihrem Versprechen bleiben, müssten sie der zweiten Säule ausgleichen, was sie in der Ersten weniger zahlen. Mit ihr sollen 2500 weitere Leinwände digitalisiert werden. Bund und Länder zahlen dabei nichts. Die 192 Mio. müssen die großen Kinos und die Verleiher selbst erbringen, wobei Letztere wohl den Löwenanteil zu tragen hätten. Denn an der ersten Säule zur Digitalisierung der umsatzschwachen Kinos beteiligen sie sich mit 20 bis höchstens 30%. Denn, und das ist und bleibt der Pferdefuß, entgegen der bisher diskutierten Branchenmodell müssen die Kinobesitzer 20% der Gesamtsumme aus eigener Tasche zahlen. Viele wüssten nicht, wie sie dies bewerkstelligen sollen, betont Eva Matlock, Geschäftsführerin der AG Kino. Eine Marktbereinigung, wie sie der HDF als Vertreter der großen Ketten mit ihrer Erpressungspolitik in der FFA wohl indirekt angestrebt haben könnte. Aber auch dessen Mitglieder werden nicht drum herum kommen, 20% der Kosten selbst zu tragen. Auf alle kommen weitere Kosten für den Umbau des Vorführraums zu, die von Bund und Ländern nicht gefördert werden. Hier könnte die FFA ins Spiel kommen. Sie könnte weitere Kosten für die Modernisierung im Rahmen eines zweiten Förderprogramms anerkennen. Doch das ist alles Spekulation. Neumann hat am 6. Mai Eckpunkte vorgelegt, obwohl er sicher mehr gewollt hätte. Vielleicht ist es das letzte Warnsignal an die Branche, sich in letzter Minute doch noch auf ein flächendeckendes Modell zu einigen. Die Diskussionen gehen also in eine weitere Runde. Und auch die Länder sind weiter zögerlich. Ursprünglich wollten sie am 7. Mai ein an das bayerische Fördermodell angelehntes Modell absegnen, das einheitliche Standards vorschreiben sollte. Es blieb bei der Absichtsbekundung. Die Neuen Länder haben bislang nicht mal gesagt, aus welchem Topf sie das Geld nehmen wollen. Die abwartende Haltung ist auch berechtigt, denn entgegen der Versprechungen in Bayern schließt das BKM die nachträgliche Förderung bereits umgerüsteter Kinos aus. Der Ausschluss der umsatzstarken Kinos von der staatlichen Förderung und der hohe Anteil der FFA an der ersten Säule der Digitalisierung könnten auch Öl auf die Mühlen der großen Ketten sein, die sowieso von ihrer Abschaffung träumen. Gerade die Verweigerer der Kinoabgabe könnten jetzt ermutigt werden, die Digitalisierung über so genannte Third Party Modelle in Angriff zu nehmen. Drei große Anbieter sind dafür auf dem Markt. Im Klartext heißt dies nichts anderes, als dass die Digitalisierung von Hollywood bezahlt wird. Und das ist natürlich nicht umsonst – die Amerikaner erwarten, dass 80% des Spielplans mit ihren Filmen bestückt werden. Das würde die doppelte Zweiteilung des Kinomarktes zementieren – zum einen zwischen Multiplexen und Arthouse, zum anderen wird die Mauer zwischen den Alten und den Neuen Bundesländern wieder aufgebaut, wo die Ketten oft Monopolisten sind, neben denen nur in wenigen großen Städten kleine Arthouse-Pflanzen blühen. Das wäre zum Nachteil des deutschen Films – er hätte wohl langfristig weniger Spielstätten. Und die Fronten im Streit um die Zukunft von Filmförderungsgesetz und der FFA würden sich verhärten.

Ausklappen/Einklappen