Film & Fernsehen

Österreich in Deutschland nominiert und immer wieder Kritik am Auswahlverfahren

(BFV-Newsletter 03/2010) Mit 13 bzw. sechs Nominierungen avancierten „Das weiße Band“ und „Die Fremde“ der österreichischen Regisseure Michael Haneke und Feo Aladag zu den Favoriten bei der Wahl der Deutschen Filmpreise 2010. Die Nominierungen stehen für den kontinuierlichen Aufwärtstrend in der Filmlandschaft in der Alpenrepublik, die sich auch bei den Oscars mit „Der Fälscher“, Revanche“ und dem „Weißen Band“ widerspiegelt.

Der Aufschwung wird auch mit deutschem Geld finanziert. Das künstlerische Resultat spricht für sich; vom „stupid german money“ wie bei den mit deutschem Steuergeld jahrelang subventionierten Movies aus Hollywood kann keine Rede sein. Ansonsten blieben die Überraschungen bei den Nominierungen aus, Akin mit „Soul Kitchen“ und Schmid mit „Sturm“ sind verdientermaßen dabei, auch Maren Ades „Alle anderen“ war nach dem Berlinale-Erfolg erwartet worden. Wie schon in den vergangenen Jahren, als „Novemberkind“ sträflich von der Akademie vernachlässigt wurde, ist der Nachwuchs nur vertreten, wenn er wie „Die Fremde“ bei der Berlinale auf sich aufmerksam macht.

Bei den Dokumentarfilmen scheint sich zu bewähren, dass nach etlichen Querelen der vergangenen Jahre, nach denen die populärsten, aber nicht die inhaltlich brisantesten Filme die Lola gewannen, in diesem Jahr ein Aufpasser der Dokumentarfilmsektion der Akademie in die Vorauswahlkommission entsandt wurde. Mit „Das Herz von Jenin“ von Marcus Vetter und „Die Frau mit den fünf Elefanten“ des in Basel lebenden Vadim Jendreyko setzten sich die beiden besten Filme durch. Bei den Spielfilmen ist für das dreistufige Auswahl-System, an dem jedes Jahr aufs Neue rum gedoktert wird, der Weisheit letzter Schluss noch nicht gefunden.

Das beginnt mit der verwirrenden Zulassung, statt sich endlich auf das Kalenderjahr zu einigen, was für jeden Zuschauer klar und einleuchtend wäre, wurde weiter der Zeitraum 1. März bis 28. Februar gewählt. Mit Ausnahmen. Wer nach dem 1. Dezember startet darf auch im Folgejahr melden. Andererseits darf teilnehmen, wer bei der Berlinale im Wettbewerb war. Und so war „Jud Süß“, der erst im Herbst ins Kino kommt, unter den 27 vor ausgewählten Titeln, während der bereits seit Anfang März laufende „Boxhagener Platz“ erst für das kommende Jahr angemeldet wird. Dazu hatten Filmakademie und BKM, Rechtsaufsicht und Geldgeber des höchstdotierten deutschen Kulturpreises - die Organisation nicht im Griff.

Die Zusammensetzung und Arbeitsweise der Vorauswahlkommission wecken Zweifel, ob es in diesem Jahr legitimiert war und allen Filmen gleiche Chancen eingeräumt hat. Dabei könnte alles so einfach sein. Die Akademie macht es sich mit den eigenen Regularien nur schwer. Statt der Vorauswahlkommission 15 bis 16 Tage im Kino für die Sichtung der rund 70 angemeldeten Spielfilme zu geben, werden Vorführungen an elf Tagen terminiert. Müssen dann alle Kommissionsmitglieder teilnehmen? Ja, bestätigt die Akademie schriftlich. Bei der zweiten Nachfrage heißt es selbstverständlich, aber es könne auch sein, dass ein Flieger nicht kommt.

Das BKM sagt nein, das ist nur ein zusätzliches Angebot. Und entschuldigt damit, dass die CDU-Abgeordnete Dorothee Bär in der ersten Sitzungswoche der Akademie im Dezember und auch bei Vorführungen im Januar nicht anwesend war. Im Dezember nahm sie ihre Aufgabe als Abgeordnete wahr. Die zeitliche Überschneidung sei entstanden, weil die Filmakademie im Sommer geplant habe, die Sitzungswochen des Bundestages durch die Wahl erst Ende Oktober angesetzt wurden. Neben Bär und 16 Filmeschaffenden soll eine zweite Abgeordnete aus dem Bundestag die Interessen des deutschen Volkes bei der Vorauswahl der Filme vertreten.

Seit Jahren wird Monika Griefahn in diesem Kreis geschätzt. 2009 verlor sie ihr Mandat. Sie blieb in der Kommission, weil der Kulturausschuss auf Grund der Neukonstituierung kein anderes Mitglied bis Anfang Dezember benennen konnte, erklärt ein Sprecher von Bernd Neumann. Allerdings tagte der Ausschuss bereits am 25. November, die erste reguläre Sitzung war am 2. Dezember. Zu Gast war Bernd Neumann, der den Filmpreis mit keinem Wort erwähnte. An ihn und nicht das zuständige Parlament hatte sich die Filmakademie aber wegen der Kommissionsbesetzung gewandt.

Der Informationsfluss zum Kulturausschuss ist dann offensichtlich ins Stocken geraten. Die Kommissionsmitglieder können bei den Kinosichtungen selbst entscheiden, wie lange sie einen Film sehen. Durch das hohe Pensum – sechs bis sieben Filmen pro Tag- sind Abbrüche vorprogrammiert. Die Betroffenen sind darüber natürlich nicht glücklich. Andreas Arnstedt zum Beispiel. Sein Debütfilm „Die Entbehrlichen“, der rund um den Erdball fleißig Preise einheimst, wurde gezeigt, obwohl nur 2/3 der Mitglieder im Kino saßen. Die beendeten ihn nach 20 Minuten. Arnstedt protestierte vergeblich.

Die Filmakademie verweist auf die DVDs, die alle Kommissionsmitglieder erhalten haben. Was formal richtig ist. Es ist aber wohl eine Illusion, dass Filmschaffende und Abgeordnete, die ehrenamtlich in der Kommission arbeiten und weiter ihren Job machen, sich im heimischen Wohnzimmer Filme ansehen, die sie wenig später im Kino noch mal sehen (müssen). Für Arnstedts Film darf das auch bezweifelt werden. Er wurde am 12. Januar als einer der ersten Filme der zweiten Sichtungswoche gezeigt, auf die noch Diskussionstage folgen mussten. Am 18. Januar wurden die Ergebnisse aber bereits veröffentlicht. Da blieb wohl kaum die Zeit, diese DVD zu sehen und den Film nochmals ins Gespräch zu bringen.

Gerade dieser Meinungsbildungsprozess wird von der Filmakademie Außenstehenden immer als einer der großen Vorzüge ihrer Arbeit und der Verleihung der Filmpreise durch die Branche selbst verkauft. Die Geschäftsführung bemüht sich daher das System zu verteidigen. Und auch das BKM hat wohl keine rühmliche Rolle gespielt, weil es das Parlament übergangen hat. Dem Urteil der Kommission misstrauen nebenbei auch viele Produzenten. Sie denken, dass ihre Filme besser sind als von der Kommission eingeschätzt, die sie selbst bestimmt haben. Deshalb schicken sie DVDs der abgelehnten Filme an die Akademiemitglieder zur Sichtung. Acht Titel waren es mindestens. Doch wie von ihnen erwartet, fanden diese Filme nicht die Mehrheit der Stimmen der Akademiemitglieder für eine Nominierung.

Warum streichen die Mitglieder der Filmakademie diese Möglichkeit nicht einfach? Vor allem, weil es die begünstigt, die sich das Verschicken von mehr als 1200 DVDs leisten können. „Die Entbehrlichen“ waren nicht dabei. Andreas Arnstedt hat sich für den Dreh so verschuldet, dass ihm das Geld für das Porto fehlt.


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